Boy & Bear und Erdnussbutter
Die australische Band Boy & Bear hat nach vier Jahren Pause wieder in Zürich gespielt. Nuancen an der Show im Papiersaal sind oftmals auf der Strecke geblieben.
Boy & Bear haben seit dem ersten Tag ihrer Bandkarriere etwas geschafft, wonach viele andere Bands erfolglos streben: Sie haben ihren eigenen, unverkennbaren Sound kreiert.
Wiederkehrende Elemente wie die akustische Gitarre von Sänger Dave Hosking oder Tim Harts wuselig-folkiger Drumsound sind Eckpfeiler dieses Phänomens. Doch letztlich ist es Hoskings Stimme, seine Intonation und Phrasierung, die alles zusammenhält und Boy & Bear aus der breiten Indie-Folk-Masse heraushebt.
Süss, crèmig, manchmal klebrig
Hoskings Organ erinnert im gut gefüllten Papiersaal in Zürich zuweilen an Erdnussbutter: süss, crèmig, manchmal klebrig sogar, mit einer Prise Salz – vielleicht vom australischen Meereswind gebracht. Und wie Erdnussbutter jedem Gericht eine sowohl unauffällige als auch dominante Geschmacksnote zu verleihen vermag, so tut dies auch Hoskings Gesang.
Das ist Fluch und Segen zugleich. Fluch deshalb, weil die einzelnen Songs wegen der omnipräsenten Gesangstonalität eine gewisse Gleichförmigkeit entwickeln, die der treibende, oftmals im Offbeat geschlagene Drum-Groove zusätzlich betont.
Bellamy Brothers, The Edge und Hank Marvin in einem
Segen hingegen, weil die Stimme derart tragend ist, dass die anderen Musiker frei sind, zu tun und zu lassen, was ihnen beliebt. Das nutzt an diesem Abend insbesondere Gitarrist Killian Gavin. Mal knurrt er einen bösen Metal-Groove zu Feeding Line, dann wechselt er – in Breakdown Slow – vom Country-Schwelg der Bellamy Brothers zum The-Edge-Glitzersound, um in der Schlusspassage auch noch dem berühmten Shadows-Klang von Hank Marvin Tribut zu zollen.
Die ganze Band profitiert von diesem Gesangskitt. Wenn sie etwa wie in Milk & Sticks zwischen Taktformen und Grooves herumhüpft und Haken schlägt wie ein übermütiges Karnickel. Oder wenn sie in Suck on Light beiläufig einen untanzbaren Siebenvierteltakt in den Saal hämmert. Das sind dann komponierte Kontrastpunkte zum eingängigen Sound.
Der ganze Klangspielplatz führt ohnehin dazu, dass die emotionale Tiefe auf der Strecke bleibt. Denn die ist bei Boy & Bear fast ausschliesslich in Hoskings Gesang angesiedelt. Und so lange der die Funktion hat, das Bandgefüge zusammenzuhalten, kann er nicht wirklich seine Palette an Nuancen abrufen.
Endlich Ruhe
Dafür bräuchte es Ruhe, die sich die Band lediglich in zwei Songs gewährt. Big Man vom Erstling Moonfire ist der erste akustisch interpretierte Song. Im Dreivierteltakt spielt Gitarrist Gavin ein Johnny-Cash-Rockabilly-Muster, über das Hosking einen seiner zerbrechlichsten Texte singt. «Failure’s a part of it all. And if failure don’t hurt, then failure don’t work at all.» Den Song schliesst er mit den Worten, ihm graue davor, im Leben nichts zu erreichen. Die Zeilen weint er mal, dann flüstert er sie, zerschellt fast an ihnen.
Die Band hängt – ebenso reduziert interpretiert – als Antwort die Ballade A Moment’s Grace an. Nun singt sich Hosking Mut an, erzählt, wie er sich in einem Moment der Gnade bewusst wird, dass er sich vor Reue rückwärts bewegt, mit gebücktem Körper, und glaubt, das sei das einzig Richtige. Doch dann die Kehrtwende: «No, I am not gonna die this way!» Plötzlich kann er den zart-zaghaften Singsang in einen selbstbewussten Ruf an sich selbst und an seine Zuhörer umwandeln.
Doch im letzten Refrain streicht er die Konklusionszeile, beendet das kurze Intermezzo der Gefühle, Selbstzweifel, des Mutzuspruchs und lässt die Band erneut loslegen. Hosking ist wieder Kit fürs grosse Ganze. Er lächelt seine Funktion charmant unter dem struppigen Vollbart weg. Boy & Bear sind wieder Boy & Bear. Mit Erdnussbutter.