Mut zur Variante – So war der erste Auftritt von Zeal & Ardor

Am Karfreitag spielten Zeal & Ardor ihr erstes Konzert in der Kaserne Basel. Konnte das Projekt von Manuel Gagneux dem Hype und den hohen Erwartungen überhaupt gerecht werden?

Mut zur Variante – So war der erste Auftritt von Zeal & Ardor

Es war ein Glücksgriff für Frederyk Rotter und sein «Czar Fest» in der Kaserne Basel. Seit Anfang November standen Zeal & Ardor auf dem Line-Up, ohne dass nur auch ein Hahn danach krähte. Damals hatte bloss die «TagesWoche» über das eigensinnige Projekt von Manuel Gagneux berichtet.

Dann kam der Medien-Hype: Von der «Zeit» bis zur «WOZ» wurde über die Kompromisslosigkeit von Zeal & Ardor geschrieben. So ging es nicht mehr lange und der Freitagabend war ausverkauft und die Gästeliste randvoll. Sogar der alten Tante «NZZ» musste eine Absage erteilt werden. Musikjournalisten aus England und Holland flogen extra in die Stadt am Rheinknie um den ersten Auftritt von Zeal & Ardor mitzuerleben.

Es war ein windiger, aber sonniger Karfreitag auf dem Kasernenareal. Tags zuvor versuchte Gagneux in einem Interview in der «TagesWoche» die hohen Erwartungen zu relativieren: «Die ersten Gigs werden nicht die besten sein. Das muss ich akzeptieren.»

Progressive Vordenker

Der Hype um die Band hat Vor- und Nachteile für das kleine Festival. Viele Besucher mögen nur wegen Zeal & Ardor gekommen sein. Aber sowohl Besucher als auch die angereisten Medienvertreter können sich gleichzeitig von den anderen Acts überzeugen. Denn das Label «Czar of Crickets» von Frederyk Rotter steckt voller Überraschungen.

Da wäre etwa das lokale Trio The Universe By Ear, die den Abend eröffneten. Eine Band mit eigenwilligem Sound zwischen Blues und Hard Rock. Die sperrigen Songs und hinkenden Rhythmen überfordern; es gibt zu viel zu hören. Zugleich faszinieren The Universe By Ear ungemein, wie sie ihre gewaltigen Epen aufbauen, Themen vorzeichnen und wieder verwerfen. Ihre Musik wirkt wie eine konstante Suche nach dem perfekten Moment.

The Universe By Ear eröffnen den Abend. Bild: Janosch Tröhler

Genau betrachtet ist das «Czar Fest» an diesem heiligen Tag die sündige Kultstätte komplexer Gitarrenmusik. Ob bei Khaldera, Autisti oder Sum of R – die Klangkonstrukte sind stets verzwickt, undurchschaubar und überraschend. Was auf die Bühne kommt, ist kein Metal nach Schema F. Kaum ausgelegt auf die Massentauglichkeit der headbangenden Zunft. Es feiern die progressiven Vordenker.

Die Maschinerie läuft

Er ist der König dieser fortschrittlichen Geister: Manuel Gagneux. Der Wuschelkopf hinter Zeal & Ardor. Manche stilisieren ihn zum Retter des verknöcherten Metal-Genres herauf. Das wäre vielleicht zu hoch gegriffen, aber zweifelsfrei hat er mächtig Staub aufgewirbelt.

Der Rummel um das Album Devil Is Fine – eine vorläufige Skizze der Fusion von Black Metal und Sklaven-Spirituals – mag dafür gesorgt haben, dass der Metal aus seiner Blase ausgebrochen ist. Doch Gagneux lebt nach wie vor knapp unter dem Existenzminimum, wie er vor dem Konzert dem Basler «Radio X» verriet: «Ich habe gemerkt, dass Medienpräsenz nicht gleich kommerzieller Erfolg ist.» Denn mit der Musik alleine lässt sich im Zeitalter des Streamings kaum mehr Geld verdienen. Die Musik muss auf die Bühne gebracht, die Merchandising-Maschinerie angeworfen werden.

Letzteres zog Gagneux mit seinem Label Radicalis beispielhaft auf. CDs, Schallplatten (auch als Picture Disc), Shirts und Hoodies. Die satanische Symbolik ist hip. Dazu konnte man sich Lederstücke prägen lassen: Mit dem Slogan «Become a loyal servant» wurde das Angebot angepriesen.

Doch funktioniert die Musik auch live vor Publikum? Zeal & Ardor hatte den Anstrich eines Studio-Projekts. Andererseits hat es schon andere Projekte gegeben, die den Sprung auf die Bühne geschafft haben wie etwa Eluveitie.

Der einzige Eindruck, wie eine Performance von Zeal & Ardor aussehen könnte, gab es beim Westschweizer Radio «Couleur3». Die Live-Sessions wirkten allerdings dünn, unsicher und verzettelt. Die eine oder andere Sorgenfalte mag bei diesem Anblick ins Gesicht gesprungen sein.

Aber Gagneux und seine Mitstreiter sind professionelle Vollblutmusiker. Es bestand durchaus Hoffnung, dass sie die Kurve bis zu ihrem ersten Konzert kriegen würden.

Wuchtiges Blitzgewitter

Der Saal der Kaserne war proppenvoll, als die Lichter ausgingen. Es war keine Überraschung, dass die Show mit dem Instrumental Sacrilegium I begann. Dieser Dubstep-Verschnitt hat schlicht das Potential für einen grossartigen Opener.

Dann kam die Band auf die Bühne. Gagneux trug eine Halskrause, an deren Gestänge erdrückende Gewichte befestigt waren. Sie krachten los mit In Ashes, die rollende Gitarre in die Länge gezogen. Findet die Band den Einstieg in den Song nicht? Nach einer gefühlten Ewigkeit schalten sie dann und die Zweifel verfliegen.

Es müssen Stunden harter Arbeit investiert worden sein zwischen der Radio-Session bei «Couleur3» und dem Konzertabend. Gagneux zelebriert das Spiel mit der Intonation. Die Band verleiht den Songs eine urtümliche Gewalt, eine wilde Wucht, als hätte sie ihr ganzes Leben nie andere Stücke gespielt.

Die Idee von Devil Is Fine erreicht auf der Bühne eine neue Dimension. Während man auf dem Album kritisieren kann, dass die Symbiose von Black Metal und «black music» nicht vollends abgeschlossen ist. Zu oft bleibt es ein Wechselspiel. Doch live fliessen die scheinbar unvereinbaren Stile tatsächlich zusammen. Es fühlt sich organisch an.

Devil Is Fine birgt für das Konzert vor allem eine Gefahr: Das Album besitzt nur sechs vollwertige Songs. Deshalb ist die Setlist gespickt mit neuem Material. Neun unbekannte Stücke werden präsentiert. Das Publikum taucht noch tiefer in den Kosmos von Zeal & Ardor ein. Row Row trägt einen überwältigenden Drive zur Schau. Cut Me zerfetzt mit einem brutalen Riff die Luft. Und Ship On Fire ist vielleicht die erste komplette Synthese der Stilrichtungen.

Doch bei Children’s Summon explodiert der Saal im Angesicht des Blitzgewitters totaler Gigantomanie. Das Archaische der Spirituals. Das Okkulte der Black Metal-Performance. Die Salven aus den Gitarren-Saiten. Der Druck von Zeal & Ardor bricht Willen und Knochen.

Neue Stilverbindungen

Am «m4music Festival» vor einigen Wochen bezweifelt der Berliner Musikjournalist Jens Balzer, dass das Konzept von Zeal & Ardor für eine Karriere reicht. Nach zwei Alben ist die Idee erschöpft. Gagneux selbst sagte in den Interviews jeweils, dass er Zeal & Ardor so lange am Leben erhalte, bis ihm die Fusion der Genres gelungen sei. 

Der Hype um Zeal & Ardor zeigt aber auch, dass es ein Bedürfnis nach «Metal plus irgendwas» gibt. Tatsächlich wagt sich Gagneux in den neuen Songs bereits an weitere Stilverbindungen. Hold Your Head Low hat eine bluesige Seitenlage, manchmal gar einen Hauch von Country-Rock, der dann wie durch Zauberhand doch in einem epochalen Donnern aufgehen. Oder Bury My Body, dessen Westcoast-Groove auch aus der Feder der Red Hot Chili Peppers stammen könnte.

Zur lieblichen Melodie von Sacrilegium III verlassen Zeal & Ardor nach fast einer Stunde kurz die Bühne. Don’t You Dare, das man bereits aus der «Couleur3-Session» kennt, ist die erste Zugabe. Nun kommt Gagneux nochmals richtig aus sich raus. Er verzerrt das Gesicht zu Fratzen, ruft, schreit, leidet: «Don’t you dare, look away boy!»

Dann beschliessen sie das Konzert mit der Single Devil Is Fine. Nochmals legt Gagneux seinen ganzen Soul in die Waagschale. Sichtlich erschöpft. Die Show war ein Kraftakt, der seine Spuren hinterlassen hat. Die Kaserne ist aufgeheizt, es ist stickig und tropisch feucht. Der Jubel ist riesig, der Applaus ausgelassen.

Es ist schwer, ein definitives Fazit zu ziehen. Andere Bands spielen ihren ersten Auftritt im Singsaal des Schulhauses. Zeal & Ardor hingegen vor einem ausverkauften Saal. Noch kann man keine Vergleiche anstellen. Die Performance, die urgewaltige Kraft überzeugen doch bereits jetzt. Gerade weil die Band die Songs nicht getreu den Studio-Versionen spielt, gewinnt ihr Konzert an Profil. Dieser Mut zur Facette, zur Variation ist ein seltenes Gut. Darauf aufzubauen, verspricht Erfolg. Der Einstand von Zeal & Ardor ist gelungen.

Setlist

  • Sacrilegium I
  • In Ashes
  • Servants
  • Come On Down
  • We Never Fall
  • Blood In The River
  • Row Row
  • Ship On Fire
  • Cut Me
  • Children’s Summon
  • Hold Your Head Low
  • We Can’t Be Found
  • Sacrilegium III
  • Don’t You Dare
  • Devil Is Fine