Der Remix ist tot, lang lebe der Remix!
Jeans for Jesus legen, wie sich das für eine Band mit gesundem Grössenwahn gehört, ein Remix-Mixtape hin. Verschiedene Künstler der Gattung vergehen sich mit aufwändigen Neueinspielungen am bisherigen Vermächtnis der Berner Boygroup und klammheimlich wird klar, was im Grunde schon immer klar war.
Noch während der Fussball-WM, als die ganze Schweiz gierig Xherdan Shaqiri, bei Grilliertem und Bier und vor großen Leinwänden, auf die Füsse guckte, sangen Jeans for Jesus von einer Badi, die nicht irgendeine schnöde Badi, einer dieser schwülstigen Wurstwiesen sei, sondern von einer Badi mit Pep. Dort wo man sich tummelt und fummelt, an diesem Zeltplatz in Estavayer-le-Lac direkt am Meer.
Mit Estavayeah gelang der Band das, was im Grunde während Sommermonaten immer gelingen sollte, ein wenig Rhythmus und Sinnlichkeit, einer Prise Witz fürs Gehör, eingängig, damit die Laune auch beim Nieselregen oder sonstiger Sommerflaute nicht trübe wird. Jeans for Jesus sind in, ohne dabei gleich wieder out zu sein. Ein ganzes Album, im knalligem Blau, eine Scheibe mit Electro Beats und Texten zur Alltags-Odyssee junger Leute in der Schweiz, die zwischen Sex und Freundschaft, Studium und Job, Kunst und Facebook, Juso und Vitamin C, Whatsapp und Blocher, Backpack und Tattoos, Industriedesign und EasyJet, immer mal wieder, alleine oder in der Gruppe, ein Blick auf sich selbst, durch den Switch-Mode der eigenen Handykamera, werfen. Ein Album voller Texte, die um ihrer selbst willen geschätzt und genüsslich absorbiert werden. Dazu leichtfüssige Computer Musik.
Ebenfalls leichtfüßig und mit dem Augenzwinkern einer diebischen Jungfer singt Vokalist Michael Egger auf der Scheibe manchmal wirres Zeug, dann wieder haucht er etwas, abwechslungsreich geistvoll und maliziös, von diesem Weltschmerz ins Mikrofon und man ertappt sich als Hörer gerade selbst, bei der Erkenntnis tatsächlich etwas von dieser seltenen Substanz, dieser, von Natur aus die Schweizerinnen und Schweizer nicht gerade in die Wiege gelegte, verzwickten Selbstironie zu besitzen, oder zumindest ein Farbtupfer davon abbekommen zu haben.
Alles schön und gut, doch das Jeans-For-Jesus-Remix-Doppelalbum mit 42 Neubearbeitungen der 14 existierenden Songs der Berner Mundart-Elektroniker wirft natürlich, wie könnte es anders sein, die sofortige Frage auf, ob sowas die Urfassungen nicht verhunze. Die ewige Ich-hab-das-Buch-gelesen-und-fand-den-Film-doof-Debatte zwingt sich einem auf, und – sie behält verdammt nochmal recht: Kalabrese’s Mix auf dem Mixtape von Jeans for Jesus ist langsam und eingänglich, andere Musiker machen auf psychedelisch, mal House mal Pop, Saalschutz voll auf Trance, MC Bösi Ouge übte sich auf jeden Fall an etwas zeitaufwendigem und für den Hörer wird unmittelbar klar, das mag ein Trostpflaster sein, bis die Jeanshosen aus Bern sich was Neues überlegt haben, nicht mehr und nicht weniger.
Der Remix ist tot, lang lebe der Remix!