Editors – Violence

«Violence» ist endlich wieder ein Editors-Album, das diesen Namen verdient. Das sechste Werk der Briten ist laut, leise und gross.

Editors – Violence

Die Editors befinden sich in einer schwierigen Lage: Sie werden stets an ihren frühen Werken gemessen. An den Hymnen wie An End Has A Start oder Papillon. Das sind Stücke für die Ewigkeit. Ihre Alben haben gezeigt, wie vielfältig Rockmusik sein kann.

Deswegen verbrachte die britische Band die letzten Jahre mit Vergangenheitsbewältigung. Das 2013 erschienene Werk The Weight Of Love hatte einen schweren Stand, auch wenn es gut gereift ist: Songs wie Formaldehyde oder Sugar können durchaus an die Hits anknüpfen.

Dann, vor drei Jahren, brachen die Editors vollkommen mit ihrem düster-treibenden Sound. In Dream war – gelinde gesagt – ein Album zum Vergessen. Die Musiker stiessen Fans und Kritiker vor den Kopf.

Vielversprechende Singles

Andererseits kann man sagen: In Dream war eine Notwendigkeit. Heute scheint es, als hätten die Editors dieses elektronische Unding gebraucht um sich wieder zu finden. Eine kleine Katharsis.

Morgen, am 9. März, erscheint das sechste Album Violence. Es ist endlich ein Album, das dem Mythos der Band wieder gerecht wird. Die Editors sind zurück – facettenreicher und besser denn je. Bereits im Januar dieses Jahres bot die Single Magazine einen vielversprechenden Einblick. Die Gitarren etwas brachial, aber das Fundament genauso treibend und fordernd, wie man es von ihnen erwartet. Einige Wochen später dann Hallelujah (So Low), das in den Strophen etwas an Paul McCartney erinnert, im Refrain aber geradezu brutal explodiert. Ein Vorgeschmack, der hoffen liess.

Hypnotisch und psychedelisch

Die Hoffnung soll nicht enttäuscht werden. Violence ist das variantenreichste Werk der Band bisher. Mit Magazine oder dem ersten Track Cold zollen die Editors ihren frühen Fans Tribut. Die Songs sind kleine Brüder ihrer epischen Vorfahren.

Glücklicherweise kopieren sich die Editors aber nicht einfach selbst. Das namensgebende Violence gründet auf einem fast schon progressive-technoiden Beat. Die dunkle Atmosphäre, die genauso zur DNA der Band gehört wie die aufbegehrenden Gitarren-Melodien, wird mit jedem Schlag durch die Blutbahnen gepumpt. Violence bleibt immer etwas bedeckt und entfaltet so eine hypnotische Wirkung. Vor allem dann, wenn sich der Song zum Schluss in ein fast zweiminütiges Instrumental ergiesst. Die psychedelische Wirkung der Elektronik und der Trieb des Rock in perfekter Symbiose. Hier zeigt sich, dass sogar In Dream einen positiven Einfluss hatte.

Der Hang zur instrumentalen Eskalation zeigt sich auch beim schleppenden Counting Spooks und dem wunderbar stapfenden und beunruhigenden Belong. Nothingness geht mit seinen marschierenden Drums hingegen einen direkten Weg. Es ist ein Plädoyer für zwischenmenschliche Beziehungen, die uns letztlich mehr erfüllen als die modernsten Technologien. 

«Help me to carry the fire, this road won’t go on forever»

Der wirkliche Ausreisser aus dem Sound von Violence ist die Klavier-Ballade No Sound But The Wind. Ein so herzzerreissend schönes Stück hat schon lange keine Band mehr geschrieben. Bittersüss, aber hoffnungsvoll. Tom Smith erzählt mit seiner melancholischen Stimme eine berührende Geschichte von einem Vater, der seinen Sohn beschützen will – im Hintergrund zeichnen die Instrumente eine unendliche Weite.

Geschrieben hat Smith dieses unglaubliche Stück kurz vor der Geburt seines ersten Kinds und wurde bereits 2009 als Teil des Soundtracks für den Twilight-Film New Moon veröffentlicht. Nun hat No Sound But The Wind seinen Weg doch noch auf ein Editors-Album gefunden und bietet eine Verschnaufpause vom dichten Klanggefüge auf Violence.

Laut, leise und gross

Mit dem Album Violence melden sich die Editors unüberhörbar zurück – laut und leise, aber auf jeden Fall gross. Endlich dürfen die Fans aufatmen, die ihre Idole schon in Beliebigkeit ertrinken sahen. Die Band schafft es auf diesem neuen Songs starken Album, gleichzeitig ihre Vergangenheit zu ehren und sich doch wieder neu zu erfinden. Hin und wieder brauchen die Lieder etwas Zeit um im Ohr hängen zu bleiben. Doch das war selbst bei den ersten Alben der Fall und hat quasi schon Tradition. Violence im Speziellen und die Editors im Allgemeinen sind für jene da, die sich hingeben wollen.