Frauenmagnet Lewis Capaldi über Hintern und seine stolze Mutter

Das Plaza ist ausverkauft. Die Männer kann man heute gefühlt an einer Hand abzählen. Im Saal lauter junge Frauen, von denen bereits eine im Eingangsbereich ohnmächtig zusammenbrach. Vermutlich war die Vorfreude auf Lewis Capaldi einfach zu gross.

Frauenmagnet Lewis Capaldi über Hintern und seine stolze Mutter

Glücklicherweise erholte sich die Frau, die bereits im Eingangsbereich ohnmächtig zusammenbrach, noch bevor der Opener des Abends – Anja aus der Schweiz – sichtlich nervös ans Mikro trat. Mit leisen Melodien, zu denen sie auf der Gitarre begleitet wurde, eröffnete sie den Abend. Sie performte sehr sympathisch und glaubhaft, was vom Publikum goutiert wurde.

Anja.

Als Support Act übernahm anschliessend die Schottin Nina Nesbitt. Mit 17 Jahren feierte sie bereits Erfolge mit ihrer Musik und tourte unter anderem schon mit Ed Sheeran und Justin Bieber. Sie performt sechs ihrer Songs abwechselnd mit Gitarre und Keyboard, das mit Seerosen aus Papier geschmückt ist. Die Frage, ob jemand Britney Spears kennt, wird zwar bejaht, als sie aber auffordert, bei ihrer Coverversion von Toxic mitzusingen, wird es im Saal eher ruhig. Zugegeben: dieser Song ist auch nicht leicht zu singen. Dennoch kommentiert sie die Unterstützung aus dem Publikum mit: «Ihr habt wie ein Engels-Chor gesungen, Zürich».

Bevor sie den nächsten Song performt, erläutert sie uns die Hintergründe zu The best you had. Es sei beispielsweise eine schlechte Idee, sich die Chronik des Ex-Freundes auf Instagram anzuschauen. Irgendwann tauche da sicher die neue Freundin auf. Und die sei dann hübsch. Sehr hübsch. Wenn man dann immer weiterscrolle und Fotos sehe, auf denen sie fröhlich sind, die gestylte Freundin mit reichen Eltern – vermutlich aus der Schweiz – irgendwo im Urlaub, fühle man sich immer schlechter. An diesem Punkt flechtet sie ein, wie teuer es in Zürich ist und sie deshalb vermutlich erst in ein paar Jahren wiederkommen könne.

«I spent so much money today, I’m not able to come back a couple of years.»

Nina lässt es sich nicht nehmen, ein kurzes Video als Erinnerung an ihren ersten Gig in der Schweiz aufzunehmen. Sie versucht sogar, auf schweizerdeutsch auf drei zu zählen, was für einige Lacher sorgte.

Beim letzten Song Loyal to me singt das Publikum immer die zweite Zeile des Chorus «…and you should probably leave». Das ist allerdings absolut nicht das, was ihr das Publikum zu sagen hat, denn sie kam sehr gut an, wie in ihrem Video sehr gut zu erkennen ist.

Lewis Capaldi in Hochform

Im Mai 2018 war Lewis Capaldi als Support von Sam Smith in Zürich. Damals performte Capaldi im Hallenstadion wegen eines gebrochenen Fusses auf Krücken. Am Sonntag gab der inzwischen mehrfach ausgezeichnete Alternative-Musiker sein erstes Headliner-Konzert in der Schweiz.

Während seines Auftritts fragt er fast beiläufig, ob jemand zufällig Sam Smith kenne und erntet einige Lacher. Lewis Capaldi unterhält nicht nur mit seiner Musik, er redet auch gerne. Ich bin mir allerdings noch nicht ganz sicher, ob er wirklich immer alles aus dem Ärmel schüttelt, oder ob das fester Bestandteil seiner Performance ist.

«Thank you for giving me your money. I love money. And you get my music for it in return. That’s a fair deal.»

Als erstes bedankt er sich bei den Anwesenden dafür, in ausverkauftem Haus spielen zu dürfen. Und bedankt sich direkt beim Publikum, dass sie ihm ihr Geld geben. Er liebe Geld. Aber man bekomme dafür ja auch seine Musik zu hören und das sei ein fairer Deal. Er fände es sehr interessant, dass man mit nur 7 veröffentlichten Songs eine Show ausverkaufen könne. Die Leute wüssten so ja gar nicht, was sie erwarte. Er habe gute Songs aber auch schlechte. In seinen Worten: «They suck ass», was auf deutsch heisst, sie seien Scheisse.

Das anschliessende Wortspiel mit diesem Ausdruck funktioniert nur auf Englisch. Schlussendlich schien es, als hätte er sich immer tiefer reingeritten, aber das war definitiv beabsichtigt. Wer an wessen Hintern saugt – die Besucher oder Lewis – blieb am Ende unbeantwortet.

Ausverkauftes Plaza mit Zaungästen

Nina Nesbitt kommt nochmals auf die Bühne, um im Duett den Song Rush zu performen. Dies ist aber nicht das einzige Mal, dass er einen Gast begrüsst. Auf einmal hat er ein Handy eines Fans in der Hand – dort ist jemand per Facetime zugeschaltet. Er unterhält sich eine Weile mit ihr, aber wir hören immer nur seinen Part. Da hört man Dinge wie: «… das nennt sich Arbeit» und er schwenkt zum Keyboarder hinter sich. Irgendwann meinte er dann aber, er werde jetzt auflegen. «Ich bin gerade an einem Auftritt. Zumindest haben diese Leute dafür bezahlt. Du nicht. Tschüss». Nachdem er das Gespräch damit beendet hatte, fügte er noch an, das habe jetzt ein wenig Zeit gefüllt.

«I quit now. I am at a Gig. At least these people did pay to be bere. You did not. Goodbye.»

Bei praktisch jedem Song konnte das Publikum textsicher einsteigen und ganze Passagen alleine singen. Es scheint fast, als wäre das ein Abend unter Freunden. Meiner Ansicht nach hätte er auch eine etwas grössere Location gefüllt und noch weitere Fans an seinem Auftritt teilhaben lassen können. In etwa der Hälfte des Konzerts meint er, er würde jetzt die Hintern-Witze lassen. Er könne auch über etwas anderes reden. Penisse zum Beispiel. Seine Mama sei sehr stolz auf ihn. Musikalisch gesehen ist sie das bestimmt. Er zählt für mich zu den Künstlern, die live noch mehr überzeugen als auf CD. Da sitzt jeder Ton, die Musik geht unter die Haut.

Nach den ersten Takten von Lost on You kreischt eine junge Frau in der hintersten Reihe los. «Das ist mein Lieblingssong!» tönt es durch den Saal, bevor sie unglaublich laut (und leider auch komplett an der Melodie vorbei) mitsingt. Vor der letzten Strophe legt Capaldi eine Kunstpause ein und einige fangen an zu applaudieren. Er wartet kurz ab und sagt dann: «Ich bin noch nicht fertig» und singt den Song zu Ende. Da ertönt es hinter mir wieder sehr laut auf englisch: «NOCHMAL. Nochmal. Nochmaaaaaaal». Keine Reaktion von der Bühne. Dann erhält sie Unterstützung aus den vorderen Reihen: «JETZT» und aus der Menge: «Komm schon… so schwer ist das nicht». Gelächter im Saal.

Wer dachte, er kommt jetzt aus dem Konzept, irrt. Lewis Capaldi setzt bei der letzten Passage nochmals an und fügt anschliessend an: «Ich hab den verfluchten Song geschrieben. Ich entscheide, wenn er zu Ende ist».

Bevor er den letzten Song vor der Zugabe spielte, hielt er nochmal einen längeren Monolog. Wie andere Bands ihren letzten Song ankündigen würden und wie unnötig das sei. Man könne es doch einfach spielen, ohne es zu erwähnen. Schliesslich sei es ja noch nicht der letzte Song, weil es immer noch eine Zugabe gäbe. Mit einem breiten Grinsen schlug er uns vor, wir sollen ihm beim nächsten Konzert doch den Gefallen tun und bei angekündigtem letztem Song tatsächlich danach einfach gehen. Die Band kommt für die Zugabe zurück und sieht einen leeren Saal vor sich. Das wär doch mal was. Und falls sich jemand im Saal frage, wann heute Abend der letzte Song gespielt werde – das sei jetzt.

Nach Tough verlässt die Band die Bühne, aber die Fans bleiben natürlich alle stehen. Vor der Zugabe bedankt er sich nochmal beim Publikum, während der Song Bruises bereits angespielt wird. Noch einmal macht sich die Dame aus der hintersten Reihe bemerkbar und wünscht sich einen Song. Gespielt wird dann trotzdem Bruises und als sie ihn erkennt, hallt ein «Wooohooooooo» durch den Raum, das Lewis einen kurzen Lacher entlockte.

Dafür, dass er den ganzen Abend sehr viel geredet hat, verabschiedet er sich schon beinahe auf Französisch. Ein kurzes «Danke. Tschüss.» und weg sind sie. Das geht so schnell, dass einige erst mitbekommen, dass das Konzert zu Ende ist, als das Licht anging. Bei seinem nächsten Konzert in Zürich werden aber wieder mindestens genauso viele Leute vor der Bühne stehen und den Abend geniessen. Wahrscheinlicher ist aber, dass er in einer grösseren Location als im Plaza auftreten wird. Zu wünschen wäre es ihm jedenfalls und einige seiner Fans haben sicher nichts dagegen, nächstes Mal eine bessere Chance auf ein Ticket zu haben.