Inspired by Music - II - Ingo Römling
Ingo Römling, besser bekannt unter seinem Pseudonym monozelle, ist momentan einer der gefragtesten Illustratoren der Schwarzen Szene in Europa. Mit seinen fantasievollen und unglaublich atmosphärischen Artworks verleiht er der Musik eine weitere Facette und bereichert jede Veröffentlichung.
Ingo, deine Illustrationen und Artworks sind vor allem in der Gothic-Szene weit herum bekannt und allseits beliebt. Doch wie bist du überhaupt zu diesem kreativen Beruf bekommen? Was war der Auslöser?
Soll ich weit ausholen? Gezeichnet habe ich schon in der Grundschule. Ich habe alles vollgekritzelt, was mir unter die Finger kam. Dass ich eines Tages einen Beruf draus machen würde, stand für mich von Anfang an fest. Ich habe dann als Schüler angefangen, Cartoons für die Schülerzeitungen und später auch für Magazine zu zeichnen, dann bin ich nach der Schule in der Werbung gelandet. War eine aufregende Zeit, denn damals kam gerade Kollege Computer so langsam ins Spiel, was mir sehr entgegenkam, denn ich spielte schon immer leidenschaftlich gern mit dem Rechner herum. Aber das Werbebusiness ist knallhart, dafür muss man schon irgendwie gemacht sein. Wenn ich es so rückblickend betrachte, waren es eigentlich drei Dinge, die mich dahin führten, wo ich jetzt bin:
Erstens habe ich so Mitte der Neunziger die Schwarze Szene für mich neu “entdeckt”. Das heisst, ein paar Sachen waren mir schon aus Schulzeiten geläufig, da gibt es halt Typen, die nur Schwarz tragen und die so düstere Musik hören… auch einiges von der Musik kannte ich, ein Kumpel von mir hörte Nitzer Ebb, Front 242 und Ministry und solche Sachen. Ich habe damals, 1996 war das, glaube ich, Gravity Kills live gesehen – ein Hammer! Und die “Downward Spiral” von Nine Inch Nails war damals eine meiner Lieblingsscheiben. Ist sie übrigens immer noch… nur die “Szene” dahinter war mir damals eigentlich wurscht. Ich war nie so ein “Szene-Typ”. Bis ich mich in eine Gothic-Frau verknallt habe und die schleppte mich dann eines Abends in so einen Goten-Club. Tja, da war ich ziemlich fasziniert. Nicht nur von der Frau, sondern von der ganzen Szene! Das mit der Frau wurde leider nix, aber der Szene bin ich treu geblieben, hehehe… Das zweite, was passierte, war, dass ich zunehmend von dem Stress in der Werbeindustrie seelisch und auch körperlich angegriffen wurde. Ich brannte langsam aus und kam vor lauter Stress kaum noch zum Zeichnen, es war einfach keine Energie mehr da. Das dritte Ding war, dass ich eines Tages Asp persönlich kennenlernte, der von meinen Arbeiten total begeistert war und mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, sein drittes Album “Weltunter” zu gestalten. Die “Weltunter” verursachte wohl einigen Rummel wegen des Artworks… tja, und so kam’s, dass ich dachte: Wieso versuchst Du das nicht einfach auf eigene Rechnung? Ich mache das jetzt seit 7 Jahren und habe es bisher nicht bereut.
Die Textreihe heisst “Inspired by Music”. Inwiefern beeinflusst dich die Musik bei deinen Arbeiten?
Musik ist für mich persönlich unglaublich wichtig. Beim Arbeiten tauche ich völlig ab, Zeit spielt keine Rolle mehr. Ich bin dann sozusagen in meinem eigenen Film, und dazu gibt es eigentlich immer irgendeinen Soundtrack. Ich hatte mir vor langer Zeit sogar mal überlegt, Profi-Musiker zu werden und ein Studium anzufangen, aber ich bin eigentlich froh, dass ich mich anders entschieden habe. Ich spiele Bass in zwei Bands, ich remixe gerne, und ich höre viel Musik beim Arbeiten. Stilistisch habe ich da eigentlich gar keine besonderen Vorlieben, ich höre alles Mögliche.
Hast du konkrete Vorgaben, wenn ein Künstler oder eine Band mit einem Auftrag auf dich zu kommt?
Das ist unterschiedlich. Manche Bands haben sehr exakte Vorstellungen, andere wiederum nur so eine Art “visuellen Grundgedanken” oder ein Thema, an dem wir dann zusammen arbeiten. Manchmal lassen mir die Bands auch einfach freie Hand, das ist natürlich auch mal sehr angenehm. ASP zählt zum Beispiel zu den Kunden, die alles sehr genau planen, mit einem fertigen Konzept zu mir kommen und jedes Detail so umgesetzt haben wollen, wie sie es sich vorstellen. Alexander Kaschte von Samsas Traum ist auch so jemand, der sehr gut visuell denken kann und auch richtig abgedrehte Ideen hat. Dennis von In Strict Confidence ist eher jemand, der ein Thema vorgibt und den Rest aus der Zusammenarbeit entstehen lässt. Ist meistens etwas langwieriger, aber auch ein sehr spannender Prozess. Die Sachen von In Strict Confidence sind eigentlich alle aus dem Workflow heraus entstanden.
Arbeitest du auch Entwürfe für Privatpersonen aus, zum Beispiel für ein Tattoo?
Ich kriege schon häufig Anfragen in der Richtung, aber dazu fehlt mir schlicht und einfach die Zeit. Aber manche Leute lassen sich Artworks von mir als Tattoo stechen. Ich habe für Battlelore zum Beispiel so ein Symbol entworfen, das an den Baum von Gondor aus “Herr der Ringe” erinnern soll, aber auch eher etwas Schlangenartiges hat. Schönes Ding! Jyri, der Gitarrist, hat sich das auf den Oberkörper stechen lassen. Sowas ist für mich schon eine gewaltige Ehre. Und neulich habe ich ein Foto gesehen, bei dem sich einer das komplette Cover von “Leviathan” von Alestorm auf den Unterarm tätowieren liess. Irre! Da bin ich schon ein bisschen baff.
Hahaha… es gibt eigentlich kaum eins, bei dem nicht beides irgendwie zutrifft. “Zu Tode gekritzelt” habe ich mich beinahe an der “Märchenland / Wer Sonst”-Doppel-Single von ASP. Das war einfach eine Menge Holz in verdammt kurzer Zeit.
Ich verbinde das Gefühl beim Betrachten einer abgeschlossenen Arbeit immer sehr stark mit dem Arbeitsprozess, der zur Entstehung geführt hat und den Leuten, mit denen ich daran zusammengearbeitet habe. Ich mag sie eigentlich alle. Auch diejenigen Jobs, die mal nicht so gut gelaufen sind oder wo man sich halt auch mal gefetzt hat. Das gehört dazu. Es gibt natürlich auch Artworks, bei denen ich im Nachhinein sage “Naja… hier und da hätte man was besser machen können”, aber so ist das halt.
Die Alben für In Strict Confidence sind mir zum Beispiel sehr ans Herz gewachsen, weil ich da das Gefühl habe, Teil eines Teams zu sein, bei dem sich jeder einbringen kann und wo man in Zusammenarbeit etwas schönes auf die Beine stellt.
So ein echtes Monument ist auch die “Requiembryo” von ASP. Wenn ich mir die heute so anschaue, frage ich mich, wie wir das in der kurzen Zeit schaffen konnten.
Oder die “A.Ura” von Samsas Traum ist auch wunderschön geworden. Ist zwar schon eine ganze Weile her, aber ich bekomme heute noch manchmal begeisterte Mails dazu, was mich sehr freut.
Wie lange brauchst du durchschnittlich, bis du ein Artwork fertiggestellt hast?
Sehr unterschiedlich. Sehr flott ging es zum Beispiel mit Charlie Clouser und dem “SAW II” Soundtrack, das waren vielleicht 2 Wochen intensiver Arbeit, aber es machte auch grossen Spass. Wir waren vollkommen frei in dem, was wir machten. Zoe, seine Frau, schoss eine schöne Fotoserie in seinem Studio, schickte mir alles per E-Mail und ich hatte nahezu vollkommen freie Hand, was ich damit anstellte. Was die Sache etwas schwierig gestaltete, war die Tatsache, dass Charlie kein Internet-Freak ist, der dauernd online ist und alle paar Minuten seine Mails abruft. Er hängt die meiste Zeit in L.A. in seinem Studio, arbeitet wie ein Tier und hat kaum Zeit, sich um Artwork zu kümmern. Dazu noch der Zeitunterschied von knapp 9 Stunden.
Aber leider kann ich nicht allein bestimmen, wie lange es dauert, bis ein Artwork fertiggestellt ist. So eine Arbeit läuft nie linear von Anfang bis Ende, es gibt immer Änderungen, Rückschritte, dann verschieben sich Termine, jemand wird krank oder sonst was. Und dann kann es sein, dass es auf einmal ganz schnell geht. Man weiss es nie. Es gibt auch Artworks, an denen ich ein Jahr oder länger geschraubt habe. Ich bin auch abhängig von den Infos, die ich von den Musikern, dem Presswerk und dem Label bekomme, weil ich ja auch den ganzen Textsatz und das Layout mache. Gegen Ende stellt sich immer raus, dass unbedingt noch Manni mit seiner Würstchenbude in die “Thank You”-Liste mit hinein muss oder der Name der Freundin des Bassers falsch geschrieben ist. Und manche Infos, zum Beispiel Tracklaufzeiten, bekommt man sowieso erst, wenn das Audio-Mastering abgeschlossen ist, also ganz am Schluss. Gegen Ende wird es immer hektisch.
Dann kann auch immer mal was schiefgehen. Naja… lustig war etwa, dass mir bei einem Metal-Album doch tatsächlich ein Schreibfehler im Albumtitel unterlaufen ist, fett und gross, mitten auf dem Cover! Es war schon alles fertig und im Presswerk. Ich war am selben Abend im Auto unterwegs, als der Gitarrist mich auf dem Handy anrief und meinte “Du, äh…”. Ich bin fast am Steuer ohnmächtig geworden. Gott, war das peinlich! Ich hab noch in derselben Nacht alles geändert und dreimal durchgecheckt. Hinterher haben wir uns kaputtgelacht, weil nicht nur ich, sondern jeder von der Band das Cover wochenlang vor Augen hatte und keiner es gesehen hat!
Also, wenn Du mich unbedingt festnageln willst, würde ich sagen, so zwei oder drei Monate sollte man für ein gutes Artwork schon einplanen.
Zeitdruck ist ja nicht unbedingt immer was Negatives. Ich arbeite eigentlich gut unter Druck und ich bin so der Typ, der eine Deadline braucht. Aber es stimmt, es ist nicht einfach. Manchmal stehe ich auch vor einer Aufgabe, mein Hirn ist leer und ich habe nicht den blassesten Schimmer, wie ich dieses oder jenes Problem angehen soll. Oder ich habe Ideen, die ich aber aus persönlichen Gründen scheisse finde oder von denen ich glaube, dass sie nicht funktionieren werden. Kommt durchaus vor. Wichtig ist nur, dass man sich davon nicht blockieren lässt, denn ein persönliches Gefühl kann trügen. Mir hilft es dann, wenn ich mich ohne grosses Konzept hinsetze und drauflos skizziere oder anfange, zu experimentieren. Die Ideen kommen oft beim Arbeiten. Oder ich setze mich aufs Rad, besuche einen Freund, laufe um den Block, oder ich lege mich im Park auf eine Wiese. Danach sieht die Welt oft auch ganz anders aus.
Ein guter Freund möchte auch Illustrator werden. Was für Tipps hast du für ihn im Nähkästchen?
Es kommt mir schon komisch vor, jetzt so papa-mässig Tipps zu geben… ich habe selber schliesslich auch jede Menge Mist gebaut. Aber da muss man durch. Man lernt aus seinen Fehlern. Hoffe ich zumindest.
Mit einem Mythos müsste ich vielleicht erstmal aufräumen: Ich bin leider nicht ausschliesslich Illustrator, sondern auch Grafiker, der Druckvorlagen herstellt. Weiterhin mache ich aufwändige Foto-Bearbeitungen, fotografiere selbst und arbeite mit einer breiten Palette von verschiedensten Programmen. Allein mit Photoshop kriegt man das nicht abgedeckt. Wenn ich das nicht gelernt hätte, könnte ich bestimmt nicht davon leben.
Okay, Tipps… hm.
Kommt drauf an, welche Richtung dein Freund einschlagen will. Wenn er kommerzieller Illustrator sein will und davon leben möchte, sollte er stilistisch flexibel und auch mal in der Lage sein, seinen eigenen künstlerischen Anspruch zurückzuschrauben. Illustration kann einen künstlerischen Wert haben, aber es ist nicht Kunst, es ist ein Handwerk und leider oft auch nichts weiter als eine Dienstleistung. Man muss sich in den Kunden und seine Wünsche hineinversetzen können. Wenn man davon leben will und der Laden halbwegs brummt, kann es durchaus passieren, dass man heute ein Black-Metal-Cover illustriert und morgen eine Werbeanzeige für Gummibärchen. Da muss man schon “switchen” können. Als Illustrator eine einzige Sparte zu beackern, das wird nicht funktionieren. Dazu sind die Szene und der Markt zu klein. Ich bekomme schon manchmal Anfragen von Leuten, die gerne ausschliesslich Gothic-Cover zeichnen möchten und mich fragen, wie ich das so mache und wie ich an die Jobs rankomme. Da kann ich nur antworten: Das kam nicht von alleine, Ich hatte einerseits eine gute Portion Glück, und der Rest ist einfach Spass an der Sache und viel Arbeit, da sollte man sich keine Illusionen machen.
A propos Illusionen – Illustrator als Freiberuf ist kein “9 to 5”-Job mit immer schön Wochenende und zweimal im Jahr lecker Urlaub. Sonntags arbeitet es sich am besten, und nachts arbeitet es sich leider auch sehr gut. Daran sollte man sich auch gewöhnen. Ich bin eigentlich keine völlige Nachteule, aber bis 1.00 Uhr morgens sitze ich oft schon am Zeichentisch. Und reich wird man damit eigentlich auch nicht. Okay, verdammt, wo sind hier die “good news”? Naja, ich würde sagen… das ist der coolste und spannendste Job der Welt!
Einen dominierenden Einfluss vielleicht nicht… aber Einflüsse gibt es jede Menge. Einen entscheidenden “Kick” haben mir in der Schulzeit aber die Jugendstil-Illustrationen von Aubrey Beardsley verpasst. Dann Albrecht Dürer, der absolute König des Faltenwurfs. Und selbstverständlich, das unerreichte Genie, Leonardo da Vinci.
Ich bin aber auch sehr stark von Comics beeinflusst, also der sequenziellen Bild-Erzählkunst. Ich konnte schon im Kindergarten lesen und auch ein bisschen schreiben… das lag daran, dass ich von meinem Vater “Asterix”-Hefte vorgelesen bekam, während ich auf seinem Schoss hockte und mir die Bilder anschaute, wie da so die Römer verdroschen werden, die Fische durch die Luft fliegen und der arme Barde am Schluss immer gefesselt am Baum hängt. Und dann konnte ich irgendwann auch die Sprechblasen lesen. Da hab ich wohl einen Schaden fürs Leben zurückbehalten… also: Albert Uderzo war wohl der erste. Wenn ich Funnies und Cartoons zeichne, sieht man diesen Einfluss bestimmt durchschimmern.
Ich habe mir als Teenager alles Mögliche am Comics reingezogen, auch einiges, wovon meine Eltern total geschockt gewesen wären, wenn sie mich erwischt hätten… da gab es z.b. das “Schwermetall”-Magazin, “U-Comix” und natürlich auch die “Mad”-Heftchen. Meine Heldenliste ist eigentlich unendlich lang… Jean “Moebius” Giraud, Enki Bilal, ein mittlerweile anscheinend vergessener Zeichner namens Philippe Cazamayou mit dem Pseudonym “Caza”, Milo Manara, Angelo Torres, Mort Drucker… und natürlich… “Spiderman” war der Grösste! John Romita war für mich eigentlich immer der amtliche “Spiderman”-Zeichner.
Ich mag auch den spanischen Zeichner Juanjo Guarnido, der die Reihe “Blacksad” zeichnet. Das sind ziemlich ernste Detektivgeschichten im “Film Noir”-Stil, wobei aber alle Beteiligten durch Tiere charakterisiert werden. Virtuos gemacht, wirklich empfehlenswert. Auch in Deutschland gibt es übrigens tolle Zeichner, das wird manchmal vergessen. Einiges gelernt habe ich z.b. von Michael Musal. Auch Chris Scheuer und Matthias Schultheiss finde ich grossartig. Letztens hat mich übrigens Uli Oesterle mit “Hector Umbra” sehr beeindruckt.
Bilder: Ingo Römling/monozelle