Inspired by Music - IV - DJ soz.IO
Nachfolgend stillt Negative White wieder das pumpende Electro-Herz. Für die vierte Ausgabe von Inspired by Music stand uns Agent soz.IO Rede und Antwort. Er plaudert aus alten Zeiten, erklärt, was einen guten DJ ausmacht und stellt sich kontroversen Themen der Gothic-Szene.
DJ soz.IO – stelle dich doch unseren Lesern rasch vor.
Hallo zusammen. Ich bin seit 2001 DJ in der Schwarzen Szene. Ich habe die Party-Organisation “Infiltration” gegründet und helfe auch bei den legendären STAHL DISKO Parties mit. Am liebsten lege ich harte, technoide Musik auf – von Industrial Rave bis zu Rhythm’n’Noise. Privat höre ich auch gern mal Neofolk, Breakcore und vieles mehr.
Wie und wann bist du in die Schwarze Szene gekommen?
Ich war damals in der Gabber-Szene zuhause und genoss das anonyme Abtanzen. Mein Kollegenkreis interessierte sich jedoch mehr für Black Metal. Wir waren ein kleines abgedrehtes Grüppchen, zu dem übrigens auch DJ Belial gehörte. Einer dieser Kollegen lachte sich eine Grufti-Freundin an – und mit der besuchten wir dann die erste Gothic-Party. Es war eine Magic Circle Party im grossen Dynamo-Saal. Die Musik war in meinen abgehärteten Ohren viel zu Trance-mässig – sofort fühlte ich mich jedoch in dieser Szene und bei den Leuten wohl.
Was fasziniert dich an elektronischer Musik so sehr?
Das ist ein ganz spezielles Gefühl – ein Rush – der entsteht. Wenn man einmal davon erfasst ist, kommt man nicht mehr davon los.
Oft wird von älteren Gothic-Szenegängern die Behauptung aufgestellt, dass die heutige elektronische Musik nichts mehr mit Gothic zu tun hat. Was entgegnest du diesen Vorwürfen?
Eigentlich ist das kompletter Unfug. Klar gibt es eine grosse Masse an elektronischer Musik – es gibt aber auch sehr viele Stilarten mit wenig oder gar keiner Elektronik in der schwarzen Szene (z.B. Neofolk, Batcave, Mittelalter).
Was jedoch eine Tatsache ist und bleibt – die “elektronischen” Parties ziehen mehr Leute an. Es ist nun mal schon rein statistisch so: die meisten, welche in den “Ausgang” gehen, sind um die 20 Jahre alt. Da will man tanzen und Spass haben – und da passt in meinen Augen elektronische Musik viel besser.
Elektronische Musik passt insofern in die Gothic-Szene, da sie eigentlich immer schon da war. Ich meine – Synthpop wurde damals wie heute auch elektronisch produziert.
In jüngster Zeit fand die Cyber-Szene enormen Zuwachs. Eine farbige Partygesellschaft in neonbunten Uniformen. Wie passt das in die Gothic-Szene?
Das passt sehr gut – denn dies ist genau so eine Blutauffrischung. Woher die Cyber-Szene kam, ist nicht wesentlich – sie kam einfach schleichend – anscheinend aus Japan und auch mehr als Kleidungsstil. Auf jeden Fall kamen so einige Leute neu in die Gothic-Szene – vornehmlich aus der Visual Kei und Emo-Szene. Die, welche sich dort nicht wohl fühlten, sind mittlerweile wieder verschwunden – geblieben sind die, welche sich mit der Gothic-Szene verstanden und sich dort wohlfühlten. Ich kenne viele Cybers, welche auch mal Gothic-Rock hören.
Woher kommt deiner Meinung nach diese Ablehnung gegen die Cybergothics?
Das ist ein altbekanntes Ding und in allen Szenen zu beobachten. Da ist man in einer Szene, kennt sich aus, kennt die Leute…. Plötzlich kommt da so ein junger Schnösel daher, welcher auch noch das Gefühl hat, er gehöre nun auch zu dieser Szene. Doch anstatt zu spuren, entwickelt er andere Wege.
Es ist immer das Selbe – wir haben Angst vor dem Neuen und Unbekannten und trauern lieber noch der “guten alten Zeit” nach. Früher war eh alles besser und die junge Generation hat eh keine Ahnung. Die alten Szenehasen tun gut daran, das Neue zu akzeptieren anstatt zu bekämpfen – denn nur mit “frischem Blut” bleibt die Gothic-Szene jung und überlebt sich nicht selber.
Was bedeutet für dich Gothic?
Für mich persönlich bedeutet es eine Szene, in der ich mich wohl fühle, akzeptiert werde und mich entfalten kann.
Dein Musiktipp für den Monat Mai.
Hmm – also mein nächster Kauf wird die “Industrial for the Masses Vol 4.” Compilation sein. Ui, die ist ja bereits seit März draussen…
Du bist als DJ an diversen Parties tätig. Was macht einen guten DJ aus?
Das Wichtigste ist eigentlich, das Publikum zu “lesen”. Am beobachtet man vor dem DJ-Auftritt etwas die tanzende oder nicht tanzende Masse. Was hat es für Leute, zu was für Sound tanzen sie? Beim Auflegen dann sollte man nicht zu oft die Stilrichtung wechseln. Trotzdem ist Abwechslung wichtig – denn eine Gothic-Party ist keine Technoparty, an der 5 Stunden derselbe Sound läuft.
Wie wird man überhaupt DJ?
Jeder Möchtegern-DJ sollte ernsthaft an Musik interessiert sein. Wenn man bloss “berühmt” werden will, soll man sich eine andere Nische suchen, in der man auch gut ist und welche einem interessiert.
Ich empfehle angehenden DJs, direkt mit MP3 zu starten – CDs und Platten sind meiner Meinung nach noch Überbleibsel aus dem letzten Jahrtausend (auch wenn ich persönlich noch damit auflege und auch gut zurechtkomme).
Dann fragt man am besten einen befreundeten DJ wie er das macht oder schaut einfach mal dem DJ über die Schulter. Wie man was für Geräte braucht, findet man im Internet heraus – schlussendlich reichen ein Laptop und ein günstiges Midi-Interface für einen MP3-DJ. Ach ja, Kopfhörer nicht zu vergessen.
Und dann verdient man richtig fett Kohle…?
In der Gothic-Szene kannst du das als DJ vergessen. Ausser Spesen nix gewesen, heisst es meist. Grufti-DJ ist man, weil man Spass daran hat – und nicht aus Geld- oder Prestige-Gründen!
Viele DJs beklagen sich darüber, mehr Jukebox als tatsächlich ein DJ zu sein. Empfindest du das auch so?
Klar gibt es immer Leute, die etwas wünschen – und dies ist auch wichtig um nicht stehenzubleiben. Wer jedoch sklavisch jeden Wunsch abspielt, ist selber schuld. Es gibt sogar Parties, an denen die Leute ihre Wünsche gleich neben dem DJ-Pult auf eine Liste eintragen können. Andererseits nur abgedrehte Underground-Sounds zu spielen ist meist auch der falsche Weg. Ein guter DJ muss eine Balance dazwischen finden.
Gibt es eine Entwicklung in der Musik bzw. im Business, die dich besonders beunruhigt?
Über das illegale Herunterladen mag ich jetzt eigentlich gar nicht gross lamentieren. Man muss sich einfach nicht wundern, wenn der Lieblingsmusiker plötzlich keine Musik mehr macht weil am Schluss noch nicht mal die Spesen herausschauen. Aber es gibt nachwievor viele gute und auch viele schlechte Musiker – und das wird sich wohl auch nie ändern.
Bild: Michael Scholz