«Wenn wir ein neues Lokal finden, können wir mit neuen Leuten und neuem Konzept frisch anfangen»

Wo heute das beliebte abart steht, wird in zwölf Monaten eine Baustelle sein. Die Zukunft des Clubs steht noch in den Sternen, doch will das Team um Oli Zemp, die letzten Monate unvergesslich zu machen.

«Wenn wir ein neues Lokal finden, können wir mit neuen Leuten und neuem Konzept frisch anfangen»
Oli Zemp im abart. Bild. Janosch Tröhler

«Luxuswohnungen verdrängen Musikclub» proklamieren die Betreiber. Janosch Tröhler sprach mit Oli Zemp, Geschäftsführer des abarts, über die Vergangenheit, Hochs und Tiefs und wieso es den Club auch nach 14 Jahren noch braucht.

Luxuswohnungen verdrängen Musikclub: Seid ihr enttäuscht, dass es nun mit abart Club vorbei ist?

Natürlich sind wir enttäuscht. Für uns ist dieses Urteil natürlich nicht so neu, wie für viele, die dieses Plakat nun das erste Mal gesehen haben. Es war ein langer Prozess, der mit dieser Kampagne an die Öffentlichkeit gelangt ist. Wir hatten einen Vertrag über fünf Jahr, dann einen weiteren über fünf Jahre ausgehandelt. Weitere fünf Jahre als Option waren dann leider nicht mehr möglich. Die Verwaltung wusste, dass der Bau kommt, dass Veränderungen kommen werden. Wir haben versucht, mit den Bauherren ins Gespräch zu kommen, denn für uns ist der Busparkplatz weggefallen. Ein Baurekurs wurde eingereicht, der natürlich abgeschmettert wurde, denn die Stadt hatte das Baugesuch bereits bewilligt.

Wir haben uns jetzt lange damit auseinander gesetzt. Die Situation hat auch ihre Herausforderungen und Chancen. Wenn wir ein neues Lokal finden, können wir mit neuen Leuten und neuem Konzept frisch anfangen.

Nach all diesen Jahren im abart Club, was sind deine schönsten Erinnerungen?

Vieles, das die Öffentlichkeit nicht interessiert, das zwischenmenschlicher Natur ist. Ich habe meine Frau im Club kennengelernt. Das ist sicherlich das grösste Highlight.

Andererseits sind das unzählige Konzerte. Ich habe eine Menge toller Auftritte gesehen und viele spannende Menschen getroffen. Hier stechen die Namen, welche klein angefangen haben und gross rausgekommen sind, immer mal wieder hervor. Es sind einfach unglaublich viele Geschichten, die es zu erzählen gibt.

Welche Erinnerung würdest du am liebsten aus dem Gedächtnis streichen?

Vor rund sechs Jahren hat es mich hart aus der Bahn geworfen und war darauf ein halbes Jahr weg vom Fenster. Heute würde man es Burnout nennen, damals gab es diesen Begriff noch nicht…

Auf jeden Fall ging rein gar nichts mehr. Mein Körper hat sich diese Auszeit genommen. Dagegen konnte ich nichts unternehmen. Das war eine sehr unangenehme Erfahrung. Dafür hat mich genau dieses Erlebnis im menschlichen Bereich weitergebracht. Ich musste so vieles ändern. Im Nachhinein ist es möglicherweise etwas vom Besseren, was mir widerfahren ist. Ansonsten gehöre ich zur Gattung Menschen, die gerne vergessen, was schlecht war.

Über die Vergangenheit kann man immer reden. Schauen wir also in die Zukunft. Was passiert in den letzten 12 Monaten?

Wir möchten in diesem Zeitraum sicherlich geniessen, was wir noch haben: Diese zwölf Monate auskosten, ein wenig feiern, ein wenig zu viel trinken, aber auch unsere Zukunft in die Bahnen lenken. Das eine gibt dem anderen die Hand. Die Suche nach einer neuen Location gestaltet sich extrem schwierig. Wir haben bei jeder Besichtigung das Gefühl, dass man sich doch im Innenraum etwas vorstellen könnte, doch vor dem Gebäude kann kein Bandbus parkieren. Keine Lösung. Irgendetwas Elementares fehlt immer. Und dann hatten wir eine Location, bei der alles gestimmt hat, dafür auf zwei Jahre befristet.

Wir möchten den Club ja eigentlich legal betreiben, sprich feuerpolizeiliche Auflagen erfüllen und so weiter, doch in dieser kurzen Zeit hätten wir die Kosten für den nötigen Umbau niemals eingespielt. Es war schlicht unmöglich mit dem Vermieter einen längeren Vertrag auszuhandeln. Kurz zusammengefasst: Es ist verdammt schwierig und es braucht verdammt viel Elan. Man muss sich selber immer wieder einen Tritt in den Hintern geben, um dranzubleiben. Da hilft aber diese neue Kampagne sehr. Wir hoffen, dass die Leute in diesem letzten Jahr kommen und finden «jetzt erst recht»! Das ist die Motivation, die Suche wieder intensiver in die Hand zu nehmen.

Es gibt sicherlich die eine oder andere Überraschung, auch was die Konzerte angeht. Und wenn alles klappt, wird es bestimmt unvergesslich.

Macht ihr also das, was ihr immer schon mal tun wolltet oder erfüllt ihr vor allem die Wünsche eurer Besucher?

Im Prinzip möchten wir noch unsere Wünsche erfüllen. Es kommt aber nicht gut, wenn man nur seine eigenen Bedürfnisse stillt. Darum werden wir auch weiterhin auf die Wünsche der Gäste eingehen. Einfach so weitermachen wie bisher.

Bereits heute organisiert ihr in Locations wie dem Komplex 457 oder der Eulach-Halle. Gibt es in Zukunft diese externen Events immer noch?

Den Veranstalter abart gibt es so oder so. Wir suchen aber weiterhin nach einem neuen Zuhause wie wir es die vergangenen 14 Jahre hatten. Es muss aber stimmen. Falls es nicht nahtlos an das Ende der Manessestrasse anknüpft, kann es auch ein Loch geben, eine Pause zwischen zwei Locations. Doch die Konzerte ausserhalb des abarts laufen auch in Zukunft ohne Unterbrechung weiter.

Die beliebten Partyreihen wie «Supersonic» stehen also nicht in der Schwebe.

An einem neuen Ort würden diese weitergeführt werden. Wir sind auch vierzehn Jahre älter und würden gerne junges Blut nachziehen und versuchen, ihnen freie Hand zu lassen. Wenn sie finden, dass eine Party im Konzept überhaupt keinen Sinn ergibt, kann man über ein Ende reden. Das Ziel soll aber definitiv sein, möglichst Vieles beizubehalten.

Ich muss wirklich zugeben, dass ich nicht ganz verstehe, was das für Revolten sind. Für mich ist allerdings klar: Auch wenn es aussieht wie «Ich schlage die Fensterscheibe des InterDiscounts ein und klaue dort das aktuellste Handy», was völlig sinnlos anmutet, ist es doch ein Hilfeschrei. Ich nehme diese Aktivitäten auch als solchen wahr. Wirklich deuten kann ich es auch nicht.

Natürlich, gibt es keine Clubs, will man Clubs und bei einem Überangebot wie heutzutage der Fall, ist das Bedürfnis nach anderen Clubs da. Die Öffentlichkeit, die Strasse, die allen gehört, ist ja ein altes Thema. Dass die Polizei härter einschreitet, als noch vor ein paar Jahren, ist ebenfalls diskussionslos. Ob das der Grund ist? Es ist nach wie vor so: Es läuft Einheitsbrei im Radio und im Fernsehen. Alle lesen die gleichen Bücher. Manchmal könnte man meinen, dass es bloss hundert Songs, Bands und Filme gibt, die sich bis zur Vergasung selbst wiederholen. Es ist klar, dass man so früher oder später durchdreht. Vielleicht ist es im weitesten Sinne eine Revolte gegen die Clubs, obwohl ich nicht sicher bin, wie stark das von den Medien als «Party-Aufstände» dargestellt wird.

Siehst du einen Weg, wie eine kulturelle Vielfalt geschafft werden kann?

Das was wir machen, nicht nur Freitag- und Samstagabend, an denen junge Leute zu uns kommen, zu viel trinken, laute Musik hören, sich kennenlernen und vielleicht Sex haben, sondern auch die Konzerte nicht wirklich akzeptiert werden. Nicht mal heute. Nicht akzeptiert von Politik und gewissen sozialen Schichten. Es wird einfach als böse und Ursprung allen Schlechtes abgestempelt. Das ist es nicht! Man kann den Spiess umdrehen und sagen, wenn es uns Clubs nicht gäbe, wo wären dann die Menschen? Sie wären alle auf den Strassen. Was dann passiert, haben wir die letzten Wochenenden gesehen.

Wirklich wichtig ist es, das Image der ganzen Clublandschaft zu verbessern. Es sind Anstrengungen da, eine Interessengemeinschaft zu bilden, die mit positiven Statements die Öffentlichkeit anspricht.

In einem Jahr wird das abart abgerissen. Dachtest du nie ans Aufhören?

Auf jeden Fall war diese Möglichkeit immer wieder in meinen Gedanken. Es ist eigentlich nichts in Stein gemeisselt. Man verändert sich auch persönlich. Wir führen das abart zu zweit und jeder verändert sich auf seine Art und Weise. Es gab aber auch vor dieser Gewissheit, dass es das ursprüngliche abart nur noch ein Jahr geben wird, diese Überlegungen und Diskussionen. Doch die aktuelle Lage ist wirklich so, dass wir auf der Suche sind und auch weitermachen wollen. Alles weitere bringt die Zukunft… Sag niemals nie.

Warum braucht es das abart weiterhin?

Weil wir, wie der Name abart schon sagt, anders sind als der grosse Rest. Es gibt zwar mittlerweile eine Menge Clubs, die vor vierzehn Jahren noch nicht existierten, aber wenn ich den Züritipp oder die 20 Minuten anschaue und sehe, was am Wochenende vornehmlich läuft, beschränkt sich das auf Hip-Hop, House, R’n’B, Partytunes und Electro. Und dass in ziemlich jeder Location in Zürich.

Es gibt Clubs, welche explizit auf Techno oder Rock-Gefässe setzen, aber der Rest würde am liebsten Freitag und Samstag mit fast dem gleichen Namen und DJs den Einheitsbrei zelebrieren. Als wir mit dem abart anfingen, gab es keinen Club. Alle sprachen über House und Techno und Streetparade, aber Rock wurde sträflich vernachlässigt. Die Situation heute ist ähnlich, darum braucht es uns heute immer noch.