«Wenn meine Musik Freude und Hoffnung verbreitet, bin ich glücklich»

Wir trafen Camiel Meiresonne, Sänger von Son Mieux, nach dem ersten Konzert im Ausland. Ein Gespräch über verwöhnte Generationen, Depression und Live-Energie.

«Wenn meine Musik Freude und Hoffnung verbreitet, bin ich glücklich»

Ein warmer Sommertag in der Schweiz. Wettingen ist nicht die schönste Stadt in Zürichs Peripherie. Normalerweise ist die Autobahn die einzige Lebensader.

Doch dieser Freitag ist kein gewöhnlicher Tag. Das Openair Wettingen ruft. Son Mieux, die holländischen Senkrechtstarter spielen hier ihr erstes Konzert im Ausland. Auf einer Bühne in der Openair-Bar, die sich als viel zu kleiner Käfig für ihre Unzähmbarkeit herausstellen sollte.

Camiel Meiresonne mag ein junger Mann sein, und doch ist er ein erfahrener Musiker. Sein Vater hatte eine riesige Plattensammlung, nahm Camiel mit an Konzerte: «Als ich elf war, gründete ich eine Band mit meinen beiden Brüdern. Sie waren damals sieben und neun. Wir trafen diesen Typen, der in derselben Strasse wohnte. In seinem Haus hatte er verdammt viele Instrumente. Wir begannen mit ihm abzuhängen und auf seinen Instrumenten zu spielen. Ich nahm die Gitarre, meine Brüder den Bass und die Drums», erzählt Meiresonne über seine erste Begegnung mit der Musik.

Son Mieux ist Meiresonnes neustes Projekt. Die Band existiert gerade mal für ein knappes Jahr. Auf Spotify findet man nur drei Songs, die dennoch zusammen beinahe zwei Millionen Streams aufweisen.

Etwa Easy – eine Uptempo-Feel-Good-Hymne über das Erwachsenwerden. Es ist ein Song, der unweigerlich Sonnenschein versprüht – hell und hoffnungsvoll wie ein Frühlingsmorgen. Feels hingegen ist das folkigste Lied der drei, behandelt die Schwierigkeiten der Selbstfindung. Und dann noch Even mit der perfekten Mischung aus den Zutaten, die Easy und Feels so grossartig machen.

Obwohl es nur diese drei Songs zu hören gibt, spielen Son Mieux in Wettingen ein dreiviertelstündiges Set. Und wenn ihre Aufnahmen eher entspannt klingen, so fügt die Band auf der Bühne deutlich mehr Druck dazu.

«Wir spielen die Songs eigentlich nicht anders, als wir sie aufgenommen haben. Aber ich nehme alles zuhause auf – mit beschissenem Equipment. Die erste Demo entstand in meinem Schlafzimmer und doch sprangen die Radios darauf an», verrät Meiresonne nach dem Konzert. «Doch wenn wir live spielen, gerate ich Ekstase. Ich habe stets in Rockbands gespielt, deshalb ist es für mich etwas anderes, zuhause oder live Gitarre zu spielen. Ich glaube, dass die Live-Energie sorgt für ein rockigeres Konzerterlebnis. Allerdings finde ich, dass die Leute die Songs auch in den eigenen vier Wänden hören können sollten. Deshalb sollten die Aufnahmen etwas sanfter sein. Rock hat mich immer beeinflusst, aber ich habe diese Musik nie wirklich gehört. Wenn ich zusammen mit Freunden abhänge, höre ich doch nicht Queens of the Stone Age. Das ist zu lärmig und totally fucking annoying

Trotzdem: Meiresonnes Stiefelchen gleiten unablässig über die Bühnenbretter. Die Band verausgabt sich. Ihr Set ist ein explodierender Vulkan. Sie spielen wie besessen von einem Dämon. Ein Dämon mit vielen Namen: Leidenschaft, Spielfreude, Herzblut.

«Wenn ich ihre lächelnden Gesichter sehe, habe ich mein Ziel schon erreicht.»

Die Kraft, die Son Mieux transportiert, ist erstaunlich. Umso mehr, wenn man sich ihren bisherigen Tag vorstellt. Sie standen um halb vier morgens auf, um sich auf die schmerzhaft lange Fahrt von Holland in die Schweiz zu machen – ein grausamer Stau inklusive, der unseren ersten Interview-Termin zunichte machte. Als wir Meiresonne dann im Backstage treffen, ist er gleichzeitig erschöpft und hellwach vom Adrenalin.

«Als wir heute zu spielen begannen, waren zehn, zwanzig Leute vor der Bühne. Am Ende war es zwar nicht berstend voll, aber das Publikum hatte sichtlich Spass. Wenn ich ihre lächelnden Gesichter sehe, habe ich mein Ziel schon erreicht. Die Aufmerksamkeit für die Musik war da.»

Son Mieux spielten in den letzten acht Monaten zwei bis drei Konzerte – jede Woche. Heute sind sie eine gut geschmierte Maschine, die Leidenschaft und Freude ausstrahlt. Hinter der fröhlichen Fassade versteckt sich aber eine dunkle Geschichte.

Unbändige Energie auf der Bühne. Bild: Janosch Tröhler

«Meine Jugend war verdammt gut. Ich konnte mich über nichts beschweren. Die meisten meiner Generation erleben dasselbe, wachsen im Reichtum auf. Aber dann kommt man in ein Alter, wo man sich fragt: Wer zum Teufel bin ich? Was mache ich eigentlich?»

Auch Meiresonne kam in diese Phase und es riss ihn von den Füssen: «Ich fiel in diese grosse, verdammte Depression. Es war merkwürdig, denn gleichzeitig dachte ich: Ich habe doch nichts, worüber ich mir Sorgen machen muss. Dennoch fragte ich mich, was ich auf der Welt hinterlassen werde. Das war eine schwierige Frage. Ich begann zu trinken, nahm zu viele Drogen. Ich stürzte nur noch ab, lag tagelang im Bett.»

Nachdem Meiresonne seine Depression überwunden hatte, begann er Folksongs zu schreiben. In den Texten reflektierte er die schwierige Zeit. Zuerst wusste er nicht, was er mit den Liedern anstellen sollte. Sie waren bloss eine persönliche Verarbeitung.

«Es ist in Ordnung, sich nicht gut zu fühlen in unserer Gesellschaft.»

«Ich hatte genug von Holland, also ging ich für fast ein Jahr nach Indonesien. Und lebte mit Menschen, die nichts haben und alles geben. Dort entstand Son Mieux.»

Das Land veränderte seine Sicht auf die Welt: «Wir sind alle irgendwie verwöhnt. Wir leben ohne anzuerkennen, was wir haben. Die Menschen sollten endlich damit anfangen. Aber es ist auch in Ordnung, sich nicht gut zu fühlen in unserer Gesellschaft – auch wenn alles eigentlich verdammt ok ist…»

Dennoch predigt Son Mieux keinen pseudo-bewussten Lifestyle. Meiresonne schreibt seine Songs und schenkt sie der Welt. «Die Songs sind im Nachgang einer beschissenen Phase entstanden. Wenn meine Musik ein wenig Freude und Hoffnung verbreitet, bin ich glücklich. Wenn die Leute unsere Sounds hören und etwas daraus mitnehmen, machen wir die Welt zu einem besseren Ort. Und das Publikum macht die Welt besser – just because there is fucking attention for something

Bild: Janosch Tröhler