Le roi est mort – lang lebe der Noise Rock!

«Le roi est mort», der Noise Rock lebt. Das Berner Quartett willibald zeigt mit ihrem Debütalbum, wie Noise Rock zu klingen und zu lärmen hat.

Le roi est mort – lang lebe der Noise Rock!

Die Gitarren ziehen psychtrope Kreise, das Schlagzeug peitscht und der Bass fletscht seine Zähne. Verzerrte Wogen, aufgellende Rufe und kantige Riffs prallen von den ersten Sekunden an gen Zuhörerin und Zuhörer. Ein nachhallendes und sphärisches Gitarrensolo spielt sich in ekstatische Höhen und lässt nach seinem Zenit nichts als ein lärmendes Feedback zurück. Andromeda. Ein klares Statement, so klingt Noise-Rock. So fühlt es sich an, so muss es lärmen und so eingängig kann dieser Musikstil sein.

Darf man das Lärm nennen?

Ja. willibald melden sich nach ihrer ersten EP While We Feel Romantic on Rooftops von 2017 mit ihrem ersten Album zurück. Acht Tracks organisierter Lärm. Wenn man das so sagen darf. Und man möchte anfügen: Fesselnder und eingängiger Lärm. Noise-Rock, bei welchem den Klampfen lärmige Freiheit gegönnt wird. Geplanter Krach, bei welchem die Rhythmusfraktion für den nötigen Groove sorgt und nicht zuletzt die reverblastigen Gesangsmelodien lange im Hinterkopf nachhallen. Lärm, so gut er nur sein kann.

Das Rezept für einfahrende Psychedelica

Nach Andromeda entpuppt sich The Poet Knows How It Goes als langsam einfahrende Psychedelica. Das Rezept: Albträumerische Melodien der Klampfen mit wummerndem Basslauf verschmelzen lassen und spannender Rhythmik würzen. Mit Breaks garnieren und Zuhörerinnen wie Zuhörer überraschen und in Trance verfallen lassen.

Vom Duo zum Quartett

willibald. Was nach einem weissbärtigen Greis mit hölzerner Gitarre klingt, nahm 2015 seinen Anfang als Duo mit Sängerin und Gitarristin Deborah Spiller sowie Bassist Charles Grögli. Mit Christine Wyder fand man ein Jahr später die richtige Frau am Schlagzeug und willibald wuchs zum Trio heran. Bei der EP-Taufe in der Spinnerei im 2017 war damals auch Naemi Zurbrügg im Publikum, welche kurz darauf mit Klampfe und Cellobogen und Effektgeräten bewaffnet willibald zum Quartett wachsen liess.

willibald
Bild: zvg

Von tribaler Rhythmik zu krachenden Breaks

Ausgeklügelte Melodien der Gitarre passen sich dem Schlagzeugspiel an und willibald oszilliert zum polternden Noise-Rock Monstrum, beinahe tribal und unheimlich antreibend. Wer sich hier wem anpasst ist zwar als Aussenstehender schwierig zu sagen, was aber feststeht ist die Tatsache, dass die Band einen peitschenden Groove zu Tage bringt, dem kaum einer widerstehen kann.

Die Band setzt spannende rhythmische Akzente, verliert mit dem Stop und Go allerdings nicht ihren vorwärtstreibenden Drive. Das Rhythmusgeflecht verschmilzt wunderbar mit den einpreschenden Gitarreneinwürfen von links und rechts, während ein immer wummernder Bass mit einladenden Läufen auf die Noise-Tanzfläche bittet.

Stromgitarrenmusik erster Güte

Im Zentrum dieser Lärmgewalt steht die Frage: Wo stehen wir, gefangen zwischen Lohnarbeit, Weltschmerz und Konsumempfehlungen? willibald stehen mit schreienden Amps Antwort und lässt die antwortenden Parolen nachhallen und die Feedbacks nachbeissen. willibald suchen nach Glück und findet es in eruptiver Stromgitarrenmusik.

willibald lassen auch gerne die Instrumente für sich sprechen. In We Built the Stands to Watch the Wind wird zu guter Letzt ein langer Instrumentaler Teil auf hypnotische Art und Weise dynamisch aufgebaut. Die düster-melancholische erschaffene Klanglandschaft wird ohne Gnade mit polternder Gitarrenarbeit niedergeschmettert. Feinfühlige Konstruktion trifft auf brutale Dekonstruktion, eine lärmige Nostalgie und Klampfen in Gestalt von Vorschlaghämmern.

Mit Feedbacks zur düsterlärmigen Erleuchtung

There’s a War Going On in my Veins lässt ein pulsierendes Noise-Gewummer los, eine gut geölte Rhythmusmaschinerie trifft auf bissige Gitarren. Beinahe Rock’n’Roll, wären da nicht wunderschöne Dissonanzen, welche den Song in Richtung dunkle Erleuchtung lenken.

Nie klangen Feedbacks so heimsuchend wie in Will We Have Rainbows Day After Day?, Regenbögen in lärmigen Grautönen, eine Flut von Verzerrung entfaltet die fragile und melancholische Schönheit im wütenden Lärm des eruptiven Noise-Rocks, die Amps scheinen zu schreien, kratzen und stöhnen. Die Scheibe endet mit dem von eingängigen Gitarrenlicks gezeichnete Laura, bluesig angehaucht in diabolischer Atmosphäre, ehe eine letzte brummende Lärmwand alles zum letzten Mal niederreisst.

Le roi est mort, ein hochprozentiges Noise-Gebräu

Steht die Rhythmik im Vordergrund? Oder die schnittigen Klampfen über den brüllenden Verstärkern? Nein, alles steht im Vordergrund genau wie nichts in dieser Scheibe sich ins Rampenlicht zu stürzen scheint: Über die Feedbacks der wütenden Gitarren, den kantigen Bass, den albträumerischen Melodien, das Gewitter an Schlagzeugspiel sowie den flehenden Schreien oder den einfahrenden Gesang – alles symbiosiert zu einem wummernden und groovenden Noise-Gebräu, hochprozentigst intensiv, welches von der ersten Sekunde an fesselt und nicht mehr loslässt.

Das Album gibts hier zu kaufen.