Metallica’s Family am Sonisphere Festival

Am 30. Mai ging Runde drei des Sonisphere Festivals über die Bühne. Bei strahlendstem Wetter mit einer feinen Auswahl an Bands im Programm, feierten rund 32’000 Rockfans Mastodon, Slayer und Motörhead. Und Metallica lässt sogar über die technischen und organisatorischen Anfängerfehler hinwegblicken.

Metallica’s Family am Sonisphere Festival
Chrigl Glanzmann von Eluveitie. Bild: Sacha Saxer

Am Mittwochnachmittag, 14 Uhr, herrschte am Bahnhof Yverdon-Les-Bains am Neuenburgersee Ausnahmezustand. Scharen von Metal- und Rockfans aus der ganzen Schweiz waren angereist, um sich eine Stunde vor Konzertbeginn einen Platz vor der Bühne zu sichern.

Blöd nur, dass diese Idee mehrere tausend Leute gehabt zu haben schienen – so staute sich um Punkt 15 Uhr, als die ersten Töne des Schweizer Openers Eluveitie bis zu den Pforten des Festivals herüberschallten, eine gewaltige Menschenmasse vor eben diesen. Wer also extra für die Schweizer angereist war, hatte wohl oder übel Pech gehabt.

Der Redaktion von Negative White erging es nicht viel anders. Nachdem die Informationen des Veranstalters Good News ausschliesslich unseren Fotografen erreicht hatten, die Journalistin im Vorfeld jedoch keinerlei Infos ob und wie man sie reinlassen würde, erhalten hatte, machte es sich für letztere bezahlt, auf gut Glück nach Yverdon gefahren zu sein. 

Ein erstes Fazit des Tages lautete also: einmal drin – immer drin.

Are you fuckin’ asleep or what? – We’re getting fucked up here!

Trotz der noch bescheidenen Anzahl Fans vor der Bühne lieferten Eluveitie eine souveräne Show ab. Sänger Chrigel hatte sich jedoch etwas mehr Resonanz auf seine «Mitsing-Aufforderungen» bei ihrem Hit Inis Mona gewünscht, dass er nach einer Runde Refrain aufgab und sich bloss noch lautstark erkundigte «Are you fuckin’ asleep or what?».

Diese Frage sollte man nicht zum letzten Mal hören an diesem Tag – auch die französischen Gojira, welche direkt nach Eluveitie an der Reihe waren, schmetterten diese Frage ins Publikum, da die Festivalmeute die Ausprägungen ihres etwas schwer zu beschreibenden, sich zwischen Death und Progressive bewegenden Metals bei den gefühlten 30 Grad nicht mit 100% Enthusiasmus zu würdigen schien. Die technischen Probleme und mehrmaligen Ausfälle hoben die Stimmung auf der Bühne und im Publikum auch nicht gerade.

Den progressiven Saitenvirtuosen von Mastodon erging es noch schlechter  – alle paar Sekunden fiel die halbe, wenn nicht gleich die ganze Soundanlage aus – was vom wütenden Sänger irgendwann entnervt mit «We’re getting fucked up here!» quittiert wurde.

Mehr als verständlich – dass bei der Partyband am Schützenfest so ein Anfängerfehler vorkommen kann, ist verständlich – an einem Sonisphere Festival, mit Weltgrössen im Line-up, ist dies jedoch unverzeihlich. Die momentan vielgefeierten Amerikaner bretterten sich jedoch trotzdem solide durch die technischen Schwierigkeiten hindurch und versuchten die zahlreichen Ausfälle irgendwann zu ignorieren.

Es gibt kein Bier…

Wie eingangs erwähnt, beschränkte sich das Line-up in diesem Jahr auf sechs Bands und eine Bühne – was dem Organisationschaos vom letzten Jahr in Basel ein Ende machte und vollsten Konzertgenuss aller Bands ermöglichte.

Dass abermals nirgends Spielzeiten oder eine Running Order angegeben waren spielte daher keine grosse Rolle. Daran, dass der eine oder andere Festivalbesucher während achteinhalbstündiger Dauerbeschallung bei 30 Grad und gnadenlos vom Himmel brennender Sonne zwischendurch ein kühles Bier und ein schattiges Plätzchen aufzusuchen gedachte, hatten die Veranstalter anscheinend keinen Gedanken verschwendet. Das sattgrüne Rasengelände am See war im Gegensatz zur Schlammschlacht in Jonschwil vor zwei Jahren eine echte Augen- und «Fussweide», aber ein wenig Schatten hätte dem einen oder anderen Sonnenstich vorgebeugt.

Gelernt hatten die Veranstalter jedoch beim Toilettenproblem: Toi Tois waren für einmal genügend vorhanden. Wer sich zum normalhygienischen Teil der Bevölkerung zählt, suchte jedoch anschliessend vergeblich nach fliessend Wasser um sich die Hände zu waschen.

Aber halt, alles halb so wild – das Problem, auf die Toilette zu müssen, kam bei den Wartezeiten an den Getränkezelten sowieso eher selten auf. Die Anzahl derer und der Verpflegungsstände hätte gerade gereicht, um ein mittleres Dorffest zu versorgen, was zum Teil Wartezeiten von über 30 Minuten für ein Bier zur Folge hatte. Kein Wunder deckte sich der eine oder andere durstige Besucher dann gleich mit mehreren Getränken ein. Während die Preise für diese das Schweizer Verhältnis normal wiederspiegelten, weiss jedoch vermutlich niemand, wie 14 Fr. für einen Hamburger zu rechtfertigen sind…

Vergiss mir nicht! We are Motörhead and we play dirty Rock’n’Roll

Mit Slayer wurde anschliessend das erste Treppchen auf dem Legenden-Podest besetzt und es schien, als käme zum ersten Mal so etwas wie Stimmung auf. Mit bunt gemischter Setlist am Start liessen sie gefeierte Kracher wie World Painted Blood, Mandatory Suicide, Dead Skin Mask und natürlich Angel of Death vom Stapel und bewiesen einmal mehr ihre beeindruckende Livepräsenz. Slayer bei Tageslicht sind nicht ganz so eindrücklich wie im Finstern, doch immerhin wurden endlich ein paar Wolken sichtbar am Himmel und sorgten für wohltuende Abkühlung. Die technischen Probleme waren nun auch endlich behoben worden und so konnten die Grossen des Abends störungsfrei über die Bühne gehen.

Wie rasend so ein Tag verfliegt, machte einem eine legendäre Warze klar, die im Anschluss an Slayer die Bühne in Beschlag nahm: Lemmy und Motörhead waren bereits die zweitletzte Band des Tages! Lemmy, als die Verkörperung des dreckigen Rock’n’Roll, verstand es mal wieder ausgezeichnet, seine «Leck mich-Attitüde» zur Schau zu stellen, unverständliche Sachen ins Mikrofon zu nuscheln und dabei so authentisch zu wirken, wie es halt nur Lemmy kann. Mit seiner Ansage «Vergiss mir nicht! We are Motörhead and we play dirty Rock’n’Roll» schaffte es die Rampensau sogar, sehr sympathisch zu wirken. Songs wie Damage Case, Stay Clean und die obligatorischen Ace of Spades und Overkill rockten die mittlerweile zahlreich versammelte Fangemeinschaft.

«Metallica loves Yverdon»

Für die einen ein weiteres Konzert ihrer vergötterten Lieblingsband, für andere das erste Mal: Metallica vereint Rock- und Metalfans wie es selten eine Band geschafft hat.

Dass ihr Ausnahme-Kultstatus immer noch absolut gerechtfertigt ist, bewies ihre grossartige Show, welche um etwa 20:30 Uhr die Sonisphere-Scharen vor die Bühne lockte. Nun zeigte sich, dass die meisten Leute tatsächlich nur für ihren Headliner gekommen waren.

Zu behaupten, dass Metallica ihre Fans «vor die Bühne lockten», ist jedoch etwas übertrieben. Dorthin gelangten nur jene Fans, welche sich ein Ticket für den Golden Circle, die abgetrennte Zuschauerfläche vor dem Wellenbrecher, oder für den Snake Pit, das ausgesparte Fleckchen inmitten der kreisrunden Bühnenerweiterung, leisten konnten…

Ein gutgelaunter und sympathischer James Hetfield stürmte also die Bühne und begeisterte von der ersten Sekunde an. Dass auch an den Herren Metallica das Alter nicht spurlos vorbeizieht, merkte man jedoch bloss an den vereinzelten grauen Haaren. Zur Einstimmung gab es unter Anderem Hit the Lights und den ehemals unveröffentlichten Song Hell and Back, vom Death Magnetic-Album, das grossartige Master of Puppets und andere Leckerbissen. Hetfield outete sich zudem als Motörhead-Fan und zeigte dem Publikum stolz seinen Backpatch auf seiner Kutte.

Was dann folgte, war zwar angekündigt worden, stellte jedoch mit Sicherheit für die meisten Metallicafans ein absolutes Highlight ihrer Fan-Karriere da: das komplette, legendäre Black Album wurde gespielt. Rückwärts.

The Struggle within eröffnete also die nächste Stunde, gefolgt von My Friend of Misery, bei welchem Hetfield die «Metallica Family» splittete und mit ihm mitsingen liess. So schwelgte und rockte sich die Familie durch das Kultalbum während es, bei immer noch lauschigen Temperaturen, langsam eindunkelte. Kuschelatmosphäre herrschte beim radiotauglichen Nothing Else Matters und bei The Unforgiven, die Gänsehaut hielt bei einigen vermutlich während des gesamten Albums an.

Nach dem fulminanten Enter Sandman verabschiedeten sich Hetfield, Ulrich und co. unter tosendem Applaus und den ersten Zugabe-Chören fürs erste – um dann mit der ersten Zugabe Blackened nahtlos anzuknüpfen.

Hetfield bedankte sich überschwänglich bei den Schweizern und bei den Supportacts des Tages und haute mit seiner Euphorie und Authentizität die Masse aus den Socken. Kaum hatte er den Satz zu Ende gebracht, knallte es und Pyros krachten auf die Bühne – dies sollte nur der Vorgeschmack sein – und die ersten Akkorde von One erklangen.

Zum krönenden Abschluss gab es unter krachendem und funkensprühendem Pyrofeuerwerk vom Feinsten Seek and Destroy mit auf den Nachhauseweg, sowie Hetfields Abschiedsworte: «Thank you! Metallica loves Yverdon!»

Dieses grossartige Konzert liess die organisatorischen Pannen ein klein wenig in den Hintergrund rücken und einen doch mit einem guten Gefühl nach Hause gehen – danke dafür Metallica.

Setlist Metallica

Hit the Lights
Master of Puppets
Fuel
For Whom the Bell tolls
Hell and Back

The Black Album:
The Struggle within
My Friend of Misery
The God that failed
Of Wolf and Men
Nothing Else Matters
Through the Never
Don’t Tread on Me
Wherever I may roam
The Unforgiven
Holier than you
Sad but true
Enter Sandman
Blackened
One
Seek and Destroy