Eine Klasse für sich

Live eine Wucht. Der Ruf um die Auftritte der Space-Rock-Band Motorpsycho eilt voraus. Dies wurde im Les Docks wieder einmal unter Beweis gestellt. Wer die Norweger selbst erleben will, darf sich auf ein langes Konzert mit progressive Höhen und psychedelische Abgründe einstellen.

Der Konzertabend beginnt früh: Türöffnung 20 Uhr und Beginn des Konzertes eine halbe Stunde später. Das Les Docks ist bereits eingehüllt in Rauch, nur wenige Leute finden sich nach 20 Uhr bereits im Konzertsaal. Grosse Verstärker türmen schon auf der Bühne und deuten einen lauten Abend an. Support Act? Fehlanzeige. Die Band ist berüchtigt für lange Auftritte, so dauerten die letzten drei Konzerte in der Schweiz im vergangenen Jahr allesamt zwischen 2h 20min bis an die 2h 40min. Wer hier zuschaut, braucht Stehleder, denn Motorpsycho ist ganz und gar keine Band für bestuhlte Konzerte.

Bent Sæther, Hans Magnus Ryan und Thomas Järmyr sind Motorpsycho. Bass, Gitarre und Schlagzeug sind die Waffen ihrer Wahl. Waren sie im letzen Jahr noch als Trio unterwegs, so haben sie für die Tour anlässlich ihres neuen Albums The Crucible sich mit dem Gitarristen und den Tasten mit Reiner Fiske Verstärkung geholt. Das vorfreudige Warten hat eine kurze Dauer, die vier Herren betreten unter Jubel die Bühne, mittlerweile ist der Saal gefüllt.

Mit Riffing ins Lärmmantra

Mit In Every Dream Home (There’s a Dream of Something Else) zeigt sich Motorpsycho als gut geölte Riffmaschinerie, Järmyr peitscht in die Becken und legt zusammen mit Bassisten Sæther ein grooviges Fundament. Die beiden Gitarren liefern dazu süchtig machendes Space-Rock-Material der Extraklasse. Was auf einen rockigen und mähneschüttelnden Einklang folgt, ist ein ruhiger und melodiöser Refrain, bei welchem Motorpsycho bereits früh ihre dynamische und abwechslungsreiche Klasse vorzeigt. Nach wuchtigen Riffs gebührt nun Hans Magnus Ryan die Ehre, sich mit psychedelischter Gitarrenarbeit in eine schier endlose Ekstase zu spielen und den Saal in eine laute Trance zu versetzen. Unter tosendem Applaus beendet die Band ihren ersten 15-minütigen Song und es sollte nicht der letzte dieser Dauer gewesen sein.

Repetitives Monstrum

Wo hört Space Rock auf und wo fängt der Jam an? Bei Motorpsycho schwierig einzuschätzen. Die Band nimmt sich jedenfalls Zeit, ihre Songs sorgfältigst aufzubauen, niederzubrechen und in erneut in repetitiver Manier einen idyllischen und einfahrenden Aufbau zu kreieren. Selten nimmt sich eine Gruppe so lange Zeit, um sich einem explosiven Höhepunkt so langsam und dynamisch zu nähern. Ihre Tracks dauern da auch gerne einmal 20 Minuten oder länger. Die Gruppe gibt dem Publikum genau was man braucht, um sich in ihrer psychedelischen Odyssee zu verlieren.

The Crucible im Strobo-Klanggewitter

«Time to get the big boys material out», schmunzelt Sæther und zusammen mit Hans Magnus Ryan nehmen sie je eine doppelhalsige Gitarre und doppelhalsigen Bass hervor. Was folgt sind die drei Songs des neuen Albums The Crucible, gespielt in voller Länge. Je länger das Konzert dauert, desto lauter scheint es zu werden. Die Norweger spielen mit melancholischen und träumerischen Melodien auf, kreieren auch sich steigernde Klanggewitter, bei welchem nur noch die Kicks des Bassdrums und dumpfe Basslinien auszumachen sind, während die Gitarren sich in verzerrte Höhen schreien. Das Publikum zollt mit tosendem Applaus.

Erschaudern und staunen

Zum dritten Mal durfte ich andächtig den Rock-Göttern von Motorpsycho dabei zusehen, wie sie einen Konzertsaal bis auf ihre Grundmauern erschütterten. 13 Songs, zweieinhalb Stunden Rock des Wahnsinns. Bei einem Konzert der Norweger weiss man nie, was einen erwartet. Die Band kann schliesslich aus Songmaterial von über 20 Alben zurückgreifen. Was allerdings klar ist, dass man das Konzert so schnell nicht vergessen wird. Und das Ohrenpfeifen danach ebenfalls nicht.