Nicht ganz so düster - Christian von Aster
Im stimmungsvollen Keller des Werk21 am Ufer der Limmat ist es bei einer Lesung um Welten angenehmer als bei einer stickigen Party. Trotz Fehlen von bassdurchtriebenen Klängen kam gute Laune auf. Dank dem Autor Christian von Aster und seinen frech-schwarzhumorigen Geschichten.
Mit dem offiziellen Trailer zu von Asters neuem Buch Der letzte Schattenschnitzer wurde in die Lesung geleitet. Das Werk, welches beim traditionsreichen Verlag Klett-Cotta erschienen ist, was dem Herrn von Aster schlaflose Nächte bereitet hatte, wie er dem Publikum offenherzig gestand, gab es allerdings dank den Schweizer Zollbehörden nicht zu kaufen. Um die Zuhörer nicht allzu hungrig auf die Geschichte eines Schattens zu machen, las er denn auch nur deren Prolog vor.
Dominiert wurde die Lesung von den typischen Aster-Erzählungen. Angefüllt mit bissig-schwarzem Humor, manchmal absurd, ab und zu makaber. Dennoch blieb dem Publikum immer ein Schmunzeln im Gesicht. Vor allem seine Gothic-Gossen, in denen er in bester Selbstironie die Klischees der Gruftis überzeichnet und raffiniert Gegebenheiten ad absurdum führt. Besonders hervorragend war jene satirische Geschichte, die die wirtschaftliche Misere des Euro-Raumes auch in die dunklen Gefilde führt. Das Wave-Gotik-Treffen und die Stadt Leipzig engagieren zusammen mit dem Amt für Arbeit ein Programm, um Langzeitarbeitslose in das Gothic-Wesen einzuführen. Ein Brevier hilft den Szenefremden dabei, sich perfekt in die schwarze Umwelt einzufügen. Bei einer Untersuchung wurde festgestellt, das satte 38% der Besucher des WGT 2011 wohl bloss inszenierte Gestalten waren. Natürlich durfte bei den Possen von Asters Klassiker 10 kleine Gruftis auf keinen Fall fehlen.
Wirklich düster und nachdenklich wie man es bei einer Lesung an der Nach(t)brand erwarten würde, war lediglich ein Gedicht, angelehnt an die Romantik, in welcher sich der Protagonist von der berauschenden Szenerie eines alten Friedhofs angezogen fühlt und sich dann unsterblich in einen steinernen Engel verliebt. Das Gedicht bot eine genügend schwere Gegennote zu all den spassigen Schriftwerken.
Zum Anfang und Schluss des zweiten Teils von von Asters Darbietung waren sinnbefreite, unterhaltsame Filmchen von Zombies in Leipzig und an der Wiege singenden Piraten zu geniessen. Christian von Aster ist nicht ausschliesslich mit dem Prädikat «Gothic» zu versehen, es wäre eine zu bequeme Schubladisierung. Viel mehr bieten seine von zweckentfremdeten Plüschtieren erzählenden Texte eine gesellschaftskritische und alles in Lächerliche ziehen wollende Note, welche zwar häufig Szene-typische Themen aufnehmen, aber nicht mit eisernem Ernst behandeln. Den Besuchern im gut gefüllten Raum gefiel diese Mischung vortrefflich, applaudierten und lachten.
Als spezielles Intermezzo las von Aster gemeinsam mit dem renommierten «Dr. Prof. Hürlimann», welcher an der Universität in Bern seine Texte ins Berndeutsche übersetzt, eine Geschichte über die Darsteller einer Geisterbahn. Hürlimann war sich das Agieren auf der Bühne merklich nicht gewohnt, doch seine Nervosität war keinesfalls irritierend, sondern doch sympathisch, zumal er die Übersetzung freihand darbot.