Nostalgie – und nicht viel mehr

«Wer ist am Freitag bei Hollywood Vampire am Start?» – «Also ich gehe zu Papa Roach.» – «Ja, eben in der Halle 622!»- «Die spielen aber zusammen mit Hollywood Undead.» Peng! Der Traum, Johnny Depp diese Woche erneut anhimmeln zu können, ist geplatzt.

Nostalgie – und nicht viel mehr
Papa Roach am Greenfield Festival 2019. Bild: Franco Tancredi

Wer genau liest, ist klar im Vorteil. Ich habe mich noch gewundert, was Hollywood Vampire mit Papa Roach am Hut haben und wieso sie im Sommer schon wieder an einem Festival in der Schweiz zu Besuch sein werden. Aber sei’s drum; angemeldet ist angemeldet und vielleicht wird es ja trotzdem toll.

Immerhin waren die Stehplätze an diesem Abend restlos ausverkauft und ich würde bezweifeln, dass die tendenziell jungen Leute, die sich in der Halle 622 zusammenfanden, alle auf Johnny Depp hofften.

Ein Fest für Horror-Fans

Trotz des Massenauflaufs vor der Halle, verlief die Security-Kontrolle sehr fix. Ich traf dennoch etwas verspätet zur Vorband Ice Nine Kills ein. Diese waren bereits mit ihrem Horror-Theater voll im Schuss. Allein schon das Bühnenbild machte mächtig Eindruck. Zwei riesige Hände, eine mit Krallen versetzt, die andere in komplett Weiss, rote Ballone, welche an den Mics hingen sowie die verkleideten Musiker liessen kein Zweifel: Ein Fest für Horror-Fans.

Nach jedem Song wechselte der Leadsänger seine Kluft: vom Mörder von Scream zu Freddy Krueger aus A Nightmare on Elm Street bis zu Es, alle amerikanischen Film-Bösewichte deckten sie ab. Das unterhaltsame Gruselschauspiel wurde mit der Lichttechnik perfekt unterstützt. Musikalisch fuhr die Band so ziemlich alles auf, was moderner Metalcore bieten muss. Ein kurzweiliger Opener.

Warnhinweis: Kann Spuren von Metal enthalten

Als nächstes standen Hollywood Undead auf der Bühne. Statt Johnny Depp gab es Pyroeffekte, Muscleshirts und vor allem eine gewaltige Ladung an fetten Beats. Tja, wer nicht lesen kann wird mit Hip-Hop bestraft, würden böse Zungen sagen. Aber es gibt ja auch hörbaren Hip-Hop und Hollywood Undead machten ihre Sache gut. Ihr Stil ist abwechslungsreich, jedoch würde ich sie unter all den Crossover-Bands sehr weit hinten anstellen, wenn es um den prozentualen Anteil an Metal geht, der sich in ihre Songs verirrt.

Ich lernte, dass Hollywood Undead bekannt dafür seien, hinter Masken versteckt auf der Bühne zu stehen. An diesem Abend taten sie dies, wieso auch immer, auf jeden Fall nicht und ob dies die bereits gelungene Show verbesserte hätte, mag ich zu bezweifeln.

Papa Roach überzeugten die Masse

Die zehn Minuten, welche Papa Roach zu früh auf der Bühne standen, hätten sie besser ins Soundmischen investiert. Zumindest bei den ersten paar Songs war von den Vocals zu wenig zu hören und der Bass wummerte viel zu stark.

Jacoby Shaddix gab jedoch von Anfang an wie immer Vollgas und riss das Publikum mit. Da der Gitarrist Jerry Horton sich zwei Finger der linken Hand gebrochen hatte, stand an diesem Abend Anthony Esperance auf der Bühne. Hätte Shaddix dies nicht angekündigt, wäre dies – zumindest musikalisch – bestimmt nicht aufgefallen.

Obwohl ich mit Papa Roach aufgewachsen bin und bei ihren älteren Songs aus den 90ern nostalgische Gefühle hochkommen, kann ich der Band live nichts anhaben. Ich habe die Nu-Metaller nun bestimmt schon zum zehnten Mal gesehen, weil sie immer irgendwo auf einem Festival oder als Vorband spielten, aber so richtig toll fand ich kaum einen von ihren Auftritten. Woran es liegt? Keine Ahnung.

Fairerweise kann ich aber sagen, dass ich an diesem Abend zur Minderheit gehörte. Das Publikum feierte die Jungs und so hörte ich nach dem Konzert einige Stimmen, dass Papa Roach einfach geil seien.

Ach ja, Johnny Depp kriegte ich an diesem Abend dann doch noch zu Gesicht! Ironischerweise lag, als ich das Konzert verliess, vor der Halle 622 ein Flyer auf der Strasse mit ratet mal welcher Band drauf?