Noch nicht müde: Paul McCartney im Gespräch
«There’s nothing like the feeling of hearing a piece of music you really love.» — Am kommenden Montag präsentiert Sir Paul McCartney im Zürcher Hallenstadion sein neues Album «Kisses On The Bottom». Negative White sprach vorab mit dem gestandenen Musiker.
Zehn Jahre lang verdrehte er der Welt mit den Beatles den Kopf. Im Juni feiert der ehemalige Sänger und Bassist der «Fab Four» seinen 70. Geburtstag. Doch in Rente möchte er noch lange nicht gehen, denn er geniesst zu sehr auf der Bühne zu stehen, als dass er sich zurückziehen könnte. Im Geist fühle er sich wie vierzig, meint der Engländer.
«Ich liebe es, Musik zu machen. Als Kind stellte ich mir vor, wie es ist in einer Band zu sein und die Welt zu bereisen. Ich wollte Gitarre und Piano spielen. Das hat immer noch eine Anziehungskraft auf mich.»
Viele Leute meinen, dass er es jetzt eigentlich satt haben müsste, doch dem ist nicht so. Er freue sich jedes Mal darauf, wieder mit der Band auf der Bühne zu stehen und seine Musik zu spielen. Die Live-Auftritte bieten die nötige Abwechslung zur Arbeit im Studio.
Bei den Beatles waren John Lennon und Paul McCartney für das Songwriting zuständig. Doch entgegen der vorherrschenden Meinung, haben sie oftmals nicht wirklich zusammen geschrieben. Hey Jude oder Let It Be habe er selber geschrieben, während Lennon zum Beispiel Strawberry Fields ebenfalls alleine komponierte.
«Es mag einfacher sein, Songs gemeinsam zu schreiben. Vor allem wenn der Partner so gut ist wie es John war. Kam man mit einem Song nicht mehr weiter, fragte man einfach ‚Was denkst du?’. Es war wie ein Ping-Pong-Spiel, ich habe den Ball angespielt und er hat ihn zurückgeschlagen und so konnten sich Songs entwickeln. Ein sehr interessanter Prozess.»
Auch wenn ihm das Schreiben immer noch Spass macht, scheint er seinen ehemaligen Mitmusiker Lennon zu vermissen, der ihm nie reingeredet, sondern geholfen habe.
Dass sein Name immer mit den Beatles und deren immensen Erfolg in Verbindung gebracht wird, sei nicht weiter schlimm. Jeder der Musiker hatte nach der Trennung 1970 seine Probleme sich als Solo-Künstler zu etablieren. McCartney startete sein Projekt Wings kurz nach dem Ende der Beatles, weshalb es noch im Schatten der Band stand. Kritiker waren der Meinung, dass Wings nicht gut genug sei. Doch heute entdecken gerade junge Menschen wieder die alten Songs von Wings und Alben wie Ram.
«Ich geniesse es noch immer, ein Beatle zu sein. Ich mochte die Arbeit mit Wings und ich erfreue mich an dem, was ich jetzt mache.»
Die Zeit brachte Veränderungen mit sich und Paul McCartney ist auch auf Facebook und Twitter zu finden. Der wichtigste Aspekt sei die Möglichkeit, unzählige Menschen einfach zu erreichen. Früher brachte man ein Album auf den Markt und es konnte Wochen dauern, bis die Platte beim Hörer ankam. Doch das Internet ist auch ein zweischneidiges Schwert. Es bereite ihm schon ab und zu Kopfschmerzen. Allerdings spielt es für den Mann aus Liverpool keine Rolle, wie seine Musik transportiert wird.
«Als ich angefangen habe, arbeitete man mit Vinyl, dann kamen die Kassetten und dann die CD. Nun ist es der Download. Aber es ist nicht wichtig, wie die Musik zu den Menschen kommt. Hauptsache ist, du machst die Musik, die du magst, und du machst sie auf gute Art und Weise.»
Millionen von Menschen brauchen Musik und benutzen diese um ihre ganz unterschiedlichen Bedürfnisse zu stillen. Manchmal hat sie heilende Wirkung, manchmal heben die Klänge einfach deine Stimmung. Die Musik hilft den Menschen auf unzähligen Wegen.
«There’s nothing like the feeling of hearing a piece of music you really love.»
Paul McCartney ist aber auch der Meinung, dass es heute zu viele Songs gibt, die eine heile Welt propagieren. Dennoch kann er ein gewisses Verständnis dafür aufbringen. Es sei schwierig, über die Realität zu schreiben. Den Grossteil der modernen Musik bezeichnet er als «good time music». Früher habe es mehr Künstler wie Bob Dylan gegeben, die über den Zustand der Gesellschaft sprachen. Die Nachfrage nach solchen Botschaften scheint aber auch nachgelassen zu haben.
«Auf der anderen Seite scheinen viele Menschen die Realität vergessen zu wollen. Heute wäre es äusserst schwierig einen Song über zum Beispiel den Typen in Toulouse zu schreiben. Dabei gäbe es eine Menge zu sagen. Die Frage ist, wie man es in einen Song verpackt. Du musst schon brilliant sein um das in der Musik ausdrücken zu können. Es wäre grossartig, wenn jemand auf Probleme wie Rassismus hinweisen würde.»
Pläne für die Zukunft hat McCartney, der 1997 zum Ritter geschlagen wurde, keine. Einfach die Musik erleben. Seit dem Anfang seiner Karriere ist es immer die gleiche Freude. Der Musiker macht weiter das, was er am besten kann: Neues erschaffen, aufnehmen und veröffentlichen, in der Hoffnung, dass es den Leuten gefällt. So auch im neuen Album Kisses On The Bottom, in dem er Lieder aus seiner Kindheit aufgreift und frisch interpretiert.
«Es war grossartig, mit talentierten Musikern wie Stevie Wonder oder Eric Clapton an diesen tollen Songs zu arbeiten.»
Die Lust am Experimentieren will er sich bewahren und Unbekanntes entdecken.
Basierend auf dem Gespräch zwischen Janosch Tröhler und Paul McCartney vom 23. März 2012.