Rote Rosen und gebräunte Schränke

Es gibt diese Sendungen, bei denen man spät abends und gemütlich auf der Couch sitzend, sich selbst fragt: Was mache ich bloss mit meinem Leben?

Rote Rosen und gebräunte Schränke
Bachelorette (Foto: Screenshot 3+)

Mit ausdruckslosem Gesicht lässt man dann die Chips, die eben noch in den Mund wandern sollten, in der geballten Faust zerbrösmeln oder schluchzt leise in sich hinein. Doch das Grauen auf dem Schirm geht weiter…


Und dieses Grauen hat viele Namen: «Frauentausch» etwa, oder «Newtopia». Das meiste davon kommt aus Deutschland, aus den Fernsehstudios unseres grossen Nachbarn. Verdorbene Eier und körniges Mehl, geliefert in die warme Stube, und wir müssen deswegen nicht mal zu später Stunde beim Nachbarn an die Türe klopfen.

Doch auch unsere heimischen Fernsehproduktionen ruhen nicht und beglücken uns nun seit einigen Wochen mit der «Bachelorette». Viele schauen diese Sendung, die jeden Montag zur besten Sendezeit über die Fernsehschirme flimmert, doch nie hat sie jemand, den man danach fragt, tatsächlich gesehen. Ein klassiches Paradox, das so auch bei der Musik von Modern Talking vorkommt.

Nun, ich oute mich, und ich tue es schweren Herzens und mit von Scham geröteten Wangen. Jeden Montag sitze ich vor dem Bildschirm meines Computers und schaue Frieda Hodel, der sportlichen, immer aufgestellten und selbstbestimmten Singlefrau zu, wie sie den Mann fürs Leben sucht. Und spannend ist die Sache, denn die Männer machen es der Dame mit der Wahl nicht einfach, schliesslich sind sie sich rein anatomisch und vom geistigen Fassungsvermögen her so ähnlich wie Zwillinge. Von Woche zu Woche kann die Schweiz bewundern, wie aufgepimpte Muskelberge in paradiesischer Kulisse irgendwo in Südostasien um das Herz der Fitnesstrainerin buhlen, und das in klassischen, dem europäischen Paarungsverhalten entliehenen Disziplinen wie Kickboxen, Massieren oder dem allseits beliebten Sackhüpfen.

Die «Bachelorette» hat, das kommt nicht überraschend, keinerlei Nutzen für die Menschheit oder die moralische Erziehung wenigstens derjenigen, die die Sendung schauen. Sie ist auch nur leidig unterhaltend: Um Männern beim Balzverhalten zuzusehen, muss man nur Freitag- oder Samstagabends vor die Haustüre treten und zum nächsten Club gehen, der eine musikalische Bandbreite von Avicii bis Helene Fischer aus den Lautsprecheranlagen dröhnen lässt.

Faszinierend ist vielmehr das Fehlen jeglicher Reflexion in einem Fernsehformat, das von so vielen Menschen geschaut wird. Die Männer sehen durchwegs aus, als hätten sie nach dem Kindergarten mit regelmässigem Fitnesstraining angefangen und bei den Wettbewerben, bei denen um das Herz der hübschen Frieda gerungen wird, musste bis dato nicht einmal etwas gezeigt werden, was nur annähernd auf die Intelligenz der Teilnehmenden hätte schliessen lassen können. So vermittelt die «Bachelorette» unter dem Strich normalen Männern ein vollkommen falsches Körperbewusstsein und allen übrigen Zuschauern – insbesondere dank der zweifelhaften Rolle Friedas – einen ebenso falschen Gebrauch von Grammatik und verständlicher Aussprache.

Jeden Montag sitze ich also da, starre auf den Schirm und frage mich, wer diesmal die Rose bekommt und wer gehen muss und rege mich unzählige Male über die ganzen Dümmlichkeiten auf, die während dieser Sendung auf den gesunden Menschenverstand wie ein Platzregen prasseln. Was mich noch viel mehr aufregen würde aber wäre, dass ich das Internet in meiner neuen Wohnung bis zum kommenden Montag nicht hinbekomme und die Sendung dann erst am nächsten Tag würde sehen können.

Ist das nicht paradox? Ist es. Ich habe übrigens noch nie ein Album von Modern Talking gehört – so viel zu meiner Verteidigung.