Son Mieux – Vice Versa
Die erste offizielle EP von Son Mieux heisst «Vice Versa». Es ist eine kleine Perle. Aber auch eine kleine Enttäuschung.
Das Debüt von Son Mieux ist eine Enttäuschung.
Eine Enttäuschung für all jene, welche die niederländische Band und ihre sommerliche Beschwingtheit kennen und schätzen gelernt haben.
Denn die EP Vice Versa versammelt jene fünf Songs, die seit Monaten frei verfügbar im Netz schwirren. Insofern ist die zusätzliche Bündelung ein Unfug. Was für ein Vermarktungskonzept dahintersteckt? Man weiss es nicht…
Vice Versa bleibt uns frisches Material schuldig und ist mit rund 15 Minuten Spielzeit auch noch ein kurzes Vergnügen.
Nun, die Enttäuschung kann sich bloss bei den Kennern der Band einstellen. Und das ist, sind wir ehrlich, ein recht übersichtliches Grüppchen. Son Mieux spielten im vergangenen August ihre erste Show im Ausland: am Openair Wettingen. Es war ein pannengeplagter, aber ein mitreissender Auftritt.
«Wenn wir live spielen, gerate ich Ekstase. Ich glaube, dass die Live-Energie für ein rockigeres Konzerterlebnis sorgt», verrät Meiresonne nach dem Konzert im Interview.
Auf der Bühne multipliziert die Band den Druck ihrer luftigen Folksongs; es entsteht ausgelassener Rock’n’Roll – befeuert durch den charismatischen Frontmann Camiel Meiresonne. Die Tatsache, dass sich diese Facetten wie selbstverständlich ergeben, ist ein Indiz für ihre – ich will nicht sagen Genialität, aber zumindest: Grossartigkeit.
Jugendlicher Übermut
Vice Versa beginnt mit Feels, einer sanftmütigen und lieblichen Ballade. Ein Song, den Meiresonne seiner Mutter widmete. Feels bleibt der ruhigste Moment der EP. Im Nachhinein wird man froh sein, dass es bei diesem einen Ruhepunkt bleiben wird.
Die Kraft von Son Mieux’ Musik entfaltet sich nämlich dann, wenn sie stärker aufs Gaspedal drücken. Und kein Song demonstriert das besser als Easy. In jugendlichem Übermut stürmt die Band los, mit Folk hat das nur noch entfernt zu tun. Es ist Indie-Pop mit einer Rock-Attitüde und – das Wichtigste – einer unbestechlich eingängigen Melodie. Eine Coming-of-Age-Hymne im Uptempo.
Der «Marlboro Man» am Strand
Die Melodien sind die grosse Stärke von Son Mieux. Auch Even, der dritte Song der EP, geht direkt ins Ohr. Etwas gemütlicher aufgezogen als Easy, wieder etwas näher am Folk, löst Even spätestens im instrumentalen Teil das Versprechen der Eingängigkeit ein.
For Those zelebriert das Cowboy-Feeling. Ein galoppierender Groove wird mit dem Panflöten-Synthie kombiniert. Es ist eine absurde Fusion aus dem «Marlboro Man» und dem weissen Sand in der Südsee.
Wenn es einen Höhepunkt auf Vice Versa gibt, dann ist es mit Bestimmtheit das abschliessende Ride. Treibend, unbeschwert und atmosphärisch. Das Beste aus den vorangehenden Songs wird hier kondensiert und es entsteht nicht weniger als ein purer Sommerhit.
Hoffnung als Essenz
Wir haben Son Mieux nach ihrem ersten Auftritt in der Schweiz zum Interview getroffen.
So frisch und fröhlich die Songs von Son Mieux klingen mögen: Es gibt einen doppelten Boden in der Bandgeschichte. Meiresonne verriet uns im Interview:
«Die Songs sind im Nachgang einer beschissenen Phase entstanden. Wenn meine Musik ein wenig Freude und Hoffnung verbreitet, bin ich glücklich. Wenn die Leute unsere Sounds hören und etwas daraus mitnehmen, machen wir die Welt zu einem besseren Ort. Und das Publikum macht die Welt besser – just because there is fucking attention for something.»
Aktivismus lässt sich auf Vice Versa dennoch nicht erkennen, und das ist gut so. Die Songs mögen sich mit schwierigen oder düsteren Phasen auseinandersetzen, tun dies jedoch mit einer positiven Haltung. Es ist die Essenz ihres Sounds: Hoffnung.
Vice Versa bringt uns also nicht nur den Soundtrack zum nahenden Frühling, sondern auch den Optimismus, den wir heute dringender brauchen als je zuvor. Dass keine neuen Songs zu hören sind, ist eine Schande. Für alle, die Son Mieux nicht kennen, sind diese fünf Stücke der fieseste Appetizer, den man sich vorstellen kann: Denn schnell dürstet es einen nach mehr.