Mit der Single «Ghosts» zementieren The Beauty of Gemina ihren neuen Sound
Diesen Freitag veröffentlichen The Beauty of Gemina ihre neue Single «Ghosts». Die Vorzeichen für ein aufregendes Album stehen gut.
Es sind die Geister der Vergangenenheit, die The Beauty of Gemina mit ihrer neuen Single heraufbeschwören. Gleichzeitig schliesst die Schweizer Band um Michael Sele in Ghosts, die am 17. August erscheint, wohl endgültig mit ihrem alten Sound ab.
«Ghosts wird eine neue Ära einleiten», erklärt die Band vollmundig. Damit bestätigt sie, was man bereits beim Trailer für das kommende Album Flying With The Owl vermutete: The Beauty of Gemina werden am 5. Oktober ein akustisch dominiertes Werk präsentieren.
Ein weiteres Indiz für diese Theorie lieferte das Line-Up für die anstehende Album-Tour. Neben der klassischen Besetzung werden auch Cellist Raphael Zweifel, die Violinistin Eva Wey und der Isländer Eyjólfur Porleifsson am Saxophon auf der Bühne stehen. Porleifsson hat mit seinem Blechinstrument die letzte Erweiterung zum Sound geliefert und bewiesen, dass diese unmögliche Kombination von Sax und Gemina eben doch hervorragend funktioniert.
The Beauty of Gemina schreiben in der Konzertankündigung für 2018, dass man mit einer Live-Umsetzung rechnen könne, die «Raum für Neues, Unerwartetes und Improvisationen zulassen».
Die Suche nach dem neuen Gemina-Sound ist abgeschlossen
Ghosts ist nunmehr der finale Beweis für die Vermutungen. Der Song versprüht das Gemina-Gefühl und irritiert zugleich mit seinem Klangbild. The Beauty of Gemina hatten in der Vergangenheit stets das Gehör mit überwältigenden Arrangements gefordert. Es war dieses Totale, das lapidar als «Gemina-Sound» umschrieben wurde. Diese komplexen Kompositionen waren mit chirurgischer Präzision konstruiert. Sie liessen sich ebenso präzise analyiseren.
Ghosts hingegen ist anders, wirkt geradezu wild. Ein chaotischer Strudel – zumindest zu Beginn. Erst nach und nach eröffnet sich im Gewimmel aus Gitarren-Kapriolen und Harmonium-Flächen ein Konzept. Unterlegt vom satten Rhythmus der nimmermüde dampfenden Drums, die Ghosts eine solide Struktur verleihen. Düster ist die Single dennoch. Und auch die reiche Vergangenheit drückt durch, insbesondere in den Lyrics. Derart von hypnotischer Repetition geprägt, erinnert Ghosts hier tatsächlich an die Anfänge der Band.
Verstärkt wird die psychedelische Wirkung durch eine ebenso konstante wie subtile Steigerung. Schicht um Schicht fügen the Beauty of Gemina dem Song Masse hinzu, sodass er am Ende locker mit der Undurchdringlichkeit des alten «Gemina-Sounds» mithalten kann.
Eine stetige Veränderung
Würde man Ghosts direkt mit einer der früheren Songs, etwa Suicide Landscape oder Kings Men Come, vergleichen, käme man nie auf die Idee, es handle sich um dieselbe Band. Der Wandel, den The Beauty of Gemina absolvierten, ist beeindruckend. So krass die Divergenz im Direktvergleich auch sein mag: Auf einer Zeitachse lässt sich die stetige Veränderung nachvollziehen.
2007 veröffentlichten The Beauty of Gemina mit Diary of a Lost ein bejubeltes Debütalbum. Die Single Suicide Landscape wurde sofort zum Gothic-Gassenhauer. Es war ein mutiges, aufregendes Werk. Ungehört dieser Stil aus brachialer Elektronic und verträumtem Wave. Ein Jahr später folgte bereits die zweite Platte: A Stranger To Tears zementierte den Ruf der Truppe als Flaggschiff der Schweizer Wave-Szene aus. Noch brutaler war der Einfluss der Synthetik: Shadow Dancer und The Lonesome Death Of A Goth DJ pumpten in technoider Manier.
2010 rückten Wave und Rock auf At The End Of The Sea wieder mehr ins Rampenlicht. Dark Rain, Rumours oder End Of All machten die Herren plötzlich zur Live-Garanten, die ebenso eine düstere Messe wie eine mitreissende Rockshow liefern konnte. Auf Iscariot Blues von 2012 versuchten The Beauty of Gemina dann, den Schwung des Vorgängers mitzunehmen. Es sollte ihnen nicht ganz gelingen. Das Album wirkt in Retrospektive nicht stringent, auch wenn mit June 2nd, Prophecy und Seven-Day Wonder starke Songs vertreten sind.
Akustik-Album als Initialzündung
2013 kam dann der Wendepunkt. Aus dem Nichts überraschte die Band mit dem Akustik-Album The Myrrh Sessions. Dass sie sogar das sperrige Hunters oder das stampfende The Lonesome Death Of A Goth DJ in dieser Form adaptieren konnten, zeigte The Beauty of Gemina in neuem Licht: Diese Musiker können wirklich spielen, sind nicht abhängig von Konserven. Noch heute hallen The Myrrh Sessions nach, wird von vielen als Glanzpunkt in der Schaffensgeschichte bezeichnet. Die akustischen Konzerte bleiben ein unvergleichliches Erlebnis.
Michael Sele prophezeite bereits 2013 im Interview mit Negative White, dass sich die akustische Welt mit dem ursprünglichen «Gemina-Sound» vermischte werden würde: «Wir können nur gewinnen, wenn unsere Palette grösser wird.»
Vielleicht selbst überrascht vom durchschlagenden Erfolg der akustischen Expedition, machte sich Michael Sele daran, die Universen zu fusionieren. Ghost Prayers kündigte sich 2014 mit der Single Mariannah an, stiess aber viele Fans vor den Kopf. Einige bezeichneten das Album gar als das Schlechteste, was die Band bisher abgeliefert habe.
Tatsache ist: Ghost Prayers war ein erster, zaghafter Schritt auf der Suche nach dem neuen «Gemina-Sound». Die krachenden E-Klampfen wurden durch das Schnurren der Akustik-Gitarren ersetzt.
Ein Jahr später, kurz vor der Veröffentlichung der Konzertaufnahmen Live At Moods – A Dark Acoustic Night, gab Sele im Aarauer KiFF zu Protokoll: «Heute sind wir eine Band, die das Akustische als Teil von The Beauty of Gemina sieht. Ich glaube, dass diese Vermischung noch mehr stattfinden wird. Vielleicht gibt es eines Tages nicht mehr Gemina-Akustik und Gemina-Rock, sondern nur noch eine Form.»
Eine aufregende Zukunft steht bevor
2016 wurden the Beauty of Gemina zehn Jahre alt. Sie zelebrierten das nicht nur mit der Best-of-Compilation Anthology Vol. 1, sondern auch mit dem neuen Album Minor Sun. Nochmals wagte die Band einen Anlauf. Es ist ein facettenreiches Werk, das mit dem Cover Crossroads symbolischen Charakter entwickelt.
Mit Minor Sun entschied sich Sele abermals dazu, den Gemina-Rock – zumindest phasenweise – zu umarmen. Ghosts, als erstes Omen des achten Studioalbums Flying With The Owl, zeichnet nun ein anderes Bild. Die Abnabelung des frühen «Gemina-Sounds» scheint mit dieser treibenden Single nun definitiv abgeschlossen. Es ist das Ende eines fünfjährigen Prozesses, der zwei Alben kostete. Ghost Prayers und Minor Sun haben zweifellos grandiose Stücke versammelt, doch ihnen fehlte – ehrlicherweise – der schlagkräftige Effekt der frühen Werke.
Zuletzt steigerten sich The Beauty of Gemina an ihren Konzerten auf ein entfesseltes Niveau. Ghosts stellt nun die Weichen für eine aufregende Zukunft: Flying With The Owl wird ein überraschendes Album werden.