Zeal & Ardor – Devil Is Fine
Wie noch kein anderes Musikprojekt aus der Schweiz befindet sich Zeal & Ardor in einem internationalen Hype. Wer das Debüt «Devil Is Fine» hört, weiss warum.

Kompromisslos. Kaum ein anderes Attribut wird im Musikjournalismus inflationärer gebraucht – und trifft so selten zu. Wie sich musikalische Kompromisslosigkeit tatsächlich anhört, zeigt Zeal & Ardor. Hinter dem Projekt steckt der schweizerisch-amerikanische Doppelbürger Manuel Gagneux.
Die Entstehungsgeschichte von Zeal & Ardor ist bereits eine urbane Legende: Es war einmal im abgründigsten aller Internetforen – «4chan» –, in dem sich Gagneux nach neuer Inspiration auf die Suche machte. Er bat die Nutzer, ihm einige Musikgenres zu nennen, und er produzierte innert 30 Minuten einen Song daraus.
Da fielen die Begriffe «Black Metal» und «Nigger Music». Die erste Reaktion von Gagneux, selber dunkelhäutig, war Empörung und Ablehnung. Doch die Idee liess ihn nicht mehr los.
So entstand das Album Devil Is Fine, das bereits im April 2016 in einer ersten Version auf Bandcamp veröffentlicht wurde. Eine einmalige Fusion aus Sklaven-Spirituals und den okkulten Klängen des Black Metals. Durch die Metal-Journalistin Kim Kelly und ihr grosses Netzwerk wurde dann ein beispielloser Hype um Zeal & Ardor ausgelöst. Noch kein anderes Schweizer Musikprojekt hat international derart für Furore gesorgt. Vom «Rolling Stone» über das «SRF» und die «Wochenzeitung» bis zu «Die Zeit» – alle schrieben sie über Gagneux’ Kreation: «Black Black Metal».
Der Einstieg
Hört man das Album zum ersten Mal, wird sofort klar, woher die überwältigende Begeisterung rührt. In einer Zeit, wo Musik zum stets verfügbaren Allgemeingut geworden ist, in der sich Stile angleichen anstatt sich zu kontrastieren und zwangsläufig langweilig werden, ist Devil Is Fine wie ein Faustschlag ins Gesicht. Nichts, womit man den Sound vergleichen könnte. Er ist einzigartig.
Der Einstieg in das Album ist mit dem gleichnamigen Song Devil Is Fine erstaunlich sanft. Nackt beginnt der Spiritual-Gesang im leeren Raum, nur zögerlich und versteckt beginnt sich das Arrangement aufzubauen. Die flächigen Gitarren halten sich geschickt im Hintergrund, legen sich auf die Lauer. Sie werden die Hörer noch früh genug überfallen. Immer grösser, immer lauter und mächtiger wird der instrumentale Teil. Doch kurz vor dem nahenden Höhepunkt, zerbricht das Konstrukt wieder und lässt nur einzelne Klavieranschläge zurück.
Die Falle
Der Einstieg mit Devil Is Fine bleibt hinterhältig. Er lockt gleich mehrere Gruppen in eine Falle. Die Metal-Fans, die hofften, dass mit Zeal & Ardor endlich Bewegung in den konservativen Black Metal kommt. Und die Mutigen, die dem Hype um das Projekt auf den Grund gehen wollen. Sie werden nun denken, dass das mit dem Black Metal ja gar nicht so schlimm sei, wie gedacht.
Doch dann kommt In Ashes. Ohne Vorwarnung vibrieren die Gitarren brachial, öffnen einen schwarzen Schlund, der alles in sich hineinsaugt. Über diesem grollenden Sturm heult die Stimme: «Burn the young boy, burn him good.»
Spätestens jetzt weiss man wieder, was die Kompromisslosigkeit bedeutet. In Ashes ist so sperrig, so konsequent im Konzept und erbarmungslos in der Umsetzung, dass die Überforderung einen entwaffnet zurücklässt.
Mit Sacrilegium I folgt das erste von drei Intermezzi. Sie alle sind weitere Beweisstücke, dass sich Zeal & Ardor schlicht nicht definieren lässt. Sacrilegium I ist ein stotterndes Electronic-Stück, weder Spiritual noch Black Metal, sondern am ehesten noch Dubstep. So irritierend das klingen mag: Es klingt vertrauter als die ersten beiden Lieder und ist somit eine wohlkalkulierte Verschnaufpause.
Die Symbiose
Mit Come On Down wird nämlich bereits wieder in der «Black Black Metal»-Manier nachgelegt. Der Song kommt dem traditionellen Metal wohl am nächsten. Come On Down ist die perfekte Symbiose aus Sklaven-Spiritual und schweren Gitarrengewitter. Als hätten sich Devil Is Fine und In Ashes während Sacrilegium I gepaart.
Wer dachte, dass Come On Down bereits die Perfektion der Idee sei, wird Children’s Summon belehrt wie ein unwissendes Kind. Das textliche Thema von Come On Down wird weitergezogen. Die sakralen Gesänge schneiden in den atemlosen Metal wie unheilvolle Zaubersprüche, zersägen die unaufhaltbare Geschwindigkeit mit Dreistigkeit.
Sacrilegium II bringt wieder den Bruch. Eine liebliche Glockenmelodie erklingt – ja, vielleicht gar ein Schlaflied. Ein Valium für den Gehörgang. Doch so sehr man sich wünschte, dass dieses Intermezzo eine beruhigende Wirkung hat, so bleibt dennoch ein Unbehagen, während Sacrilegium II in ein einen psychedelischen Hall abdriftet.
Der Höhepunkt
Während In Ashes, Come On Down und Childeren’s Summon von ihrer Tonalität noch den Black Metal in der Führungsrolle annahmen, wird der Spiess in Blood in the River endgültig gekehrt. Hier dominiert der Spiritual mit einer apokalyptischen Botschaft:
A good god
is a dead one
A good god
Is the one that brings the fire
A good lord
is a dark one
A good lord
Is the one that brings the fire
The riverbed will run red with the blood of the saints and the blood of the holy
Es ist der ultimative Höhepunkt des Albums. Die Grossartigkeit des Konzepts hinter Zeal & Ardor manifestiert sich in keinem anderen so prägnant wie in Blood in the River.
Die Irritation
Dann folgt wieder eine Irritation: What Is a Killer Like You Gonna Do Here ist weder Spiritual noch Black Metal. Es ist eine raunende, dunkle Country-Nummer. Da schwingt etwas Nick Cave mit, samt der schrägen Gitarren-Einlage. Aber weder ist der Song besonders einzigartig, noch besonders gut. Er ist schnell vergessen.
Die Fragezeichen, die man bei den drei Sacrilegium in einem grosszügigen Akt tilgen kann, muss man bei diesem Song dafür noch unterstreichen. Provokation als Nebeneffekt ist eine schöne Sache – insbesondere dann, wenn es die Black Metal-Puristen trifft.
Doch What Is a Killer Like You Gonna Do Here bleibt der einzige wirkliche Fremdkörper auf dem Album. Einer, auf den man getrost hätte verzichten können. Dass Devil Is Fine kein typisches Metal-Album ist, hat man bis dahin längst begriffen.
So ist man geradezu erleichtert, dass der Abschluss Sacrilegium III das Album endgültig beschliesst. Eine Melodie, die sich an der Klassik anlehnt, in ihrer Ausführung aber an den MIDI-Sound früher Konsolenspiele erinnert. Ein versöhnlicher Abschied.
Das Schema
Auffallend ist, dass die Songs von Zeal & Ardor ähnlich aufgebaut scheinen. Im Interview mit dem Online-Magazin alpkvlt.ch erklärte Gagneux das Schema F:
«Nicht zufällig fange ich meist mit einem Gruppengesang an. Dieser Gesang, der von den Sklaven gemeinsam intoniert wurde, um sich bei der Arbeit gegenseitig zu motivieren, hat eine treibende Kraft. Das wirkt unweigerlich einladend, schafft Gemeinschaft. Nun ist es beim Metal so, dass er diese treibende Kraft zwar ebenfalls haben kann; aber er kann eben auch angriffig und abweisend wirken, je nach subjektiver Einstellung der Hörerin oder des Hörers. Darum lasse die Metal-Gitarren erst nach einer Weile einsetzen. Zu diesem Zeitpunkt ist man bereits von jenem Gemeinschaftsgefühl erfasst. Die Metal-Gitarren wirken zu diesem Zeitpunkt wie ein Rückenwind.»
Der Impuls
Lässt man What Is a Killer Like You Gonna Do Here aussen vor, so bleibt mit Devil Is Fine mit Abstand das faszinierendste Album übrig, das die Schweiz und die Welt in den letzten Jahren gehört hat. Kein Wunder also, dass die Berichterstattung immer mehr in Sphären dringt, die Metal im Allgemeinen und Black Metal im Besonderen sonst als Lärm oder satanische Subkultur abtun.
Das führt auch zu Stirnrunzeln – nicht zuletzt bei den Metalfans selbst. Doch darum schert sich Gagneux wenig:
«Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass das Konzept für einige Leute problematisch sein kann. Seien es Rechte, die Black Metal nicht gerne mit schwarzer Musik vermischt sehen, oder Linke, die, was ich mache, einem kulturellen Diebstahl oder Sakrileg brechen. Mir geht es darum, Barrieren zu brechen.»
Genau das ist jedoch der vermutlich grösste Verdienst von Zeal & Ardor. Manuel Gagneux, eigentlich ein Popmusiker, bringt den mächtigsten Ruck in das seit Jahren festgefahrene Metal-Genre. Nicht nur in der musikalischen Experimentierfreude schafft Devil Is Fine neue Impulse für den Metal, sondern auch in der Aussenbetrachtung auf den Metal selbst.
Das Album hat das Potential, zur Blaupause einer völlig neuen Generation von Metalbands zu werden. Einer Generation, die sich wenig um ungeschriebene Gesetze kümmert, sondern den Metal als das annehmen, was er ist: Ein unglaublich facettenreiches Grundmaterial.
Das bedeutete nicht weniger, als eine Rückkehr zu den Ursprüngen des Genres. Denn nur so konnte sich der Metal zu einer Stilrichtung entwickeln, die diese schiere Masse an Subgenres ausbilden konnte.
Die Fortsetzung
Was als Provokation im Netz begann, wurde in Musik gegossene Provokation in Form von Devil Is Fine. Nun könnte Gagneux das Projekt Zeal & Ardor eigentlich ruhen lassen. Allerdings geht die Arbeit weiter, denn zufrieden ist er noch nicht mit seinem Sound. So tauchte erst vor wenigen Tagen ein neuer Song auf: Don’t You Dare wurde in der Live-Session von «RTS Couleur3» gespielt.